Im Filmgeschäft ist es Usus, jeden Strohhalm zu ergreifen, um potentiell einträglichen Stoffen weitere Ableger zu bescheren. Exemplarisch veranschaulichen lässt sich das an Werken, die auf literarischen Vorlagen Stephen Kings fußen. Dabei spielt der Umfang der Quelle keine Rolle, wie die bislang elf (!) Spielfilme (1984 – 2023) offenbaren, die sich auf die Kurzgeschichte „Kinder des Mais“ – in den filmischen Varianten wurde daraus „Kinder des Zorns“ – stützen. Auch der „Friedhof der Kuscheltiere“, einer von Kings großen Romanklassikern, wurde wiederholt verfilmt. Dabei beruft sich „Bloodlines“, Vorgeschichte der 2019er Adaption, auf einen Randaspekt des Buches: Das vom alten Jud Crandall erörterte Schicksal der Familie Baterman.
So ambitioniert die Auskleidung von Kings Randnotiz im Sinne der Werktreue erscheinen mag, so ernüchternd fällt das Ergebnis aus. Denn das Regie-Debüt von Drehbuchautorin Lindsey Anderson Beer („Sierra Burgess is a Loser“) ist eine klischeebeladene Banalität ohne erzählerischen Mehrwert. Das Scheitern des beim Streaming-Anbieter Paramount+ erstveröffentlichten Streifens beginnt bereits beim selten glaubhaften Zeitkolorit der ausgehenden 1960er. Hier will Jud (Jackson White, „Ambulance“), ein durchtrainierter Jüngling, mit der nicht minder Hollywood-typisch überzogen adretten Freundin Norma (Natalie Alyn Lind, „The Gifted“) das beschauliche Heimatstädtchen Ludlow verlassen, um sich im Friedenskorps zu engagieren.
In den Krieg nach Vietnam, dafür hat Vater Dan (Henry Thomas, „Midnight Mass“) gesorgt, werden andere einberufen. So wie Timmy (Jack Mulhern, „The Society“), Spross des knurrigen Bill Baterman („Californication”-Star David Duchovny). Nach der Rückkehr aus dem Kriegsdienst scheint Timmy nicht mehr derselbe zu sein. Ob es damit zu tun hat, dass Bill zu Beginn des Films eine Leiche im unheiligen Boden um Ludlow begräbt? Das Auskommen ist altbekannt, hindert Beer, die mit Jeff Buhler, Autor vom 2019er „Friedhof der Kuscheltiere“, auch das Skript erdachte, aber nicht daran, den gedehnten Vorlauf mit Andeutungen des aus Publikumswarte nur zu Offensichtlichen zu füllen.
Das größte Manko ist dabei die fehlende Atmosphäre. Nicht minder schwer wiegt der Mangel an starken, zum Mitfiebern einladenden Figuren. Die aus der Sammlung hohler Charakterhülsen herausstechenden Beteiligten sind die Geschwister Donna (Isabella LaBlanc, „Long Slow Exhale“) und Manny Rivers (Forrest Goodluck, „Blood Quantum“). Über Hippie-Künstlerin Donna greift das Grauen bald auch auf Juds direktes Umfeld über. Wie fahrlässig dort mit schauspielerischem Potential verfahren wird, belegt die vollends verschenkte Samantha Mathis („American Psycho“) als Juds Mutter Kathy. Auch Blaxploitation-Ikone Pam Grier („Foxy Brown“), die mit Dan und Bürgermeister Benson (Matt Holland, „Das geheime Fenster“) dafür sorgt, dass der alte Indianerfriedhof mit seiner widernatürlichen Wirkweise keinen negativen Einfluss auf den Gemeindefrieden nimmt, erhält kaum Gelegenheit, ihre Rolle mit Leben zu füllen.
Die Mystik der Haustierbegräbnisstätte, in deren Grund Tote zu neuem, primär gefährlichem Leben erweckt werden können, wird über einen Rückblick in die Zeit der Besiedlung Nordamerikas angerissen. Laut Aussagen der Macher soll der Hintergrund samt geisterhafter Begleitstimme in weiteren Filmen zum Thema vertiefend erläutert werden. Dass sich derartige Bestrebungen selten mit der Ursprünglichkeit des Horrors, dem unerklärlichen Moment, vertragen, fügt sich nahtlos ins unzureichende Gesamtbild ein. Zu dem gehören vorhersehbare Schocks, zahme Gewaltspitzen und ein Showdown ohne jede Intensität. Derart lieblos werden gemeinhin B-Sequels zu Filmen mit zugkräftigen Namen heruntergekurbelt. Somit gilt für „Bloodlines“ als exemplarisches Beispiel für Hollywoods endlosen Fortschreibungsdrang dasselbe wie für die Wiedergänger von Ludlow: „Sometimes dead is better!“
Wertung: (4 / 10)