„Let’s play cold turkey.“ – Mia
Als das „Evil Dead“-Remake 2013 in die Kinos kam, wunderten sich manche Publikumsteile darüber, dass eine markante Szene aus dem Trailer nicht zu sehen war: der für die Reihe wesentliche Einsatz der Kettensäge. Sie, wie auch diverse andere Gewaltspitzen, war der Schere zum Opfer gefallen, um in den USA ein R-Rating zu gewährleisten. Die Veröffentlichung einer erweiterten Fassung war auch durch die als Produzenten beteiligten Begründer des Stoffes, Sam Raimi, Robert Tapert und Bruce Campbell, nie geplant. Trotzdem gibt es sie – und konnte nach einer initialen Ausstrahlung im britischen Fernsehen sogar offiziell auf Blu-ray (u. a. in Norwegen inklusive deutscher Tonspur) bezeugt (und erworben) werden.
Für Regisseur und Co-Autor Fede Alvarez (drehte im Anschluss u. a. „Don’t Breathe“) bildet die Kinofassung (KF) die bevorzugte Version. Gemessen an manchen Erweiterungsszenen lässt sich diese Auffassung teilen. Und doch bietet der rund fünf Minuten längere Extended Cut (EC) sinnhafte Erweiterungen, die ihn am Ende schlüssiger erscheinen lassen. Der klischeehafte Kurzeinsatz einer Katze zählt sicher nicht dazu. Sie erschreckt David (Shiloh Fernandez, „Mob Land“) beim Bezug der abgelegenen Waldhütte, in der seine drogenabhängige Schwester Mia (wirkte in der Folge ebenfalls bei „Don’t Breathe“ mit: Jane Levy) auf Entzug gesetzt werden soll. Derartige Jump Scares, für viele moderne Horrorfilme das Salz in der Suppe, wirken im „Evil Dead“-Universum allerdings wie ein Fremdkörper.
Dabei offenbart bereits der Prolog mit der rabiaten Erlösung einer jungen dämonisch Besessenen, was die splattrige Stunde geschlagen hat: einen düsteren, entgegen dem direkten Kinovorgänger „Armee der Finsternis“ (1993) völlig humorlosen Schocker. Die Hinterlassenschaften der initialen Bluttat finden sich im Keller der Hütte, samt einem mit Stacheldraht versiegelten Buch. Auf eben jenes stößt Eric (Lou Taylor Pucci, „Carriers“), der neben Krankenschwester Olivia (Jessica Lucas, „Cloverfield“) und Davids Freundin Natalie (Elizabeth Blackmore, „Supernatural“) ebenfalls Teil der Entzugsunterstützung ist. Und so kommt es, wie es kommen muss: Die unbeabsichtigte Beschwörung dämonischer Kräfte spornt die Kamera zum Tiefflug durchs Unterholz an und mündet in die Vereinnahmung Mias.
Dass die Gruppe in der Abgeschiedenheit keinerlei äußere Hilfe zu erwarten hat, verdeutlicht bereits der an „The Shining“ (1980) erinnernde Kameraflug über das schier endlose Waldgebiet. Was folgt, ist heftiger und von handgemachten Effekten gesäumter Aderlass, der bisweilen auch das Publikum vor mitfühlendem Schmerz zusammenzucken lässt. Zunächst verletzen (oder verstümmeln) sich die Besessenen selbst. Beim Einsatz von Spiegelscherbe, Teppichmesser oder elektrischem Fleischschneider hält Alvarez voll drauf und lässt das Kunstblut bisweilen kübelweise spritzen. Geschont wird niemand, ob von der bösen Macht vereinnahmt, oder nicht. Das Höchstmaß an Leidensfähigkeit bleibt Eric vorbehalten, der mit Nagelpistole und Brecheisen traktiert wird und trotzdem immer wieder ins Geschehen eingreifen darf. Oder besser: muss. Auch ihm wird im EC übler mitgespielt. Die überflüssige Zusatzszene, in der er sich einen üppigen Schluck aus dem Wasserkanister gönnt, sei ihm daher zugestanden.
Wehrhaftigkeit muss auch David beweisen, der mit der Kettensäge den Körper der toten Natalie zerteilt. Der Verbleib ihrer Leiche – wie auch der der im Erweiterungs-Cut verbrannten Olivia – blieb in der KF ungeklärt. Dass hingegen der „We’re gonna get you“-Gesang der aus der Kellerluke blickenden Mia in der KF entfernt wurde, erscheint zumindest aus Fanwarte bedauerlich. Eine weitere durchaus lohnende Ergänzung findet sich in der Abspannszene, in der die geschundene Mia eine Straße entlangläuft (hier offenbart sich auch das Motiv eines der originären Kinoplakate) und von einem Autofahrer aufgelesen wird. Als sie während der Fahrt ins Krankenhaus abrupt die unnatürlich blauen Augen aufschlägt, darf in Anlehnung an den besessenen Eric durchaus gemutmaßt werden, dass der Teufelstanz längst nicht ausgestanden ist. Doch gleich welche Fassung der persönlichen Präferenz entspricht, im neuen Jahrtausend gab es nur wenige Schocker auf großer Leinwand zu erleben, die den Splatter rabiater zelebrieren als „Evil Dead“.
Wertung: (7 / 10)