Es verursacht ein mulmiges Gefühl, wenn Terroristen in „Die Klapperschlange“ die Präsidentenmaschine Air Force One mitten in ein Hochhaus von Manhattan manövrieren. Das amerikanische Staatsoberhaupt entkommt vor dem Aufprall in einer Rettungskapsel. Als wenig später Antiheld Snake Plissken (Kurt Russell, „Backdraft“) mit einem Segelgleiter zur Rettung des Amtsträgers anrückt, landet er nur unweit der Absturzstelle – auf einem der beiden Türme des World Trade Centers. Prophetisch wollte Spannungsmeister John Carpenter („Assault on Precinct 13“) mit seiner Dystopie sein. Auf eine seltsame Art ist er es geworden.
Fern dieser zeitgeschichtlichen Fußnote hatte es der Film längst zum Klassiker des modernen Actionfilms gebracht. Der deutsche Titel aber führt in die Irre. Plissken trägt zwar die Tätowierung einer Schlange auf dem Bauch, jedoch das Abbild einer Kobra. So trifft es der Originaltitel „Escape from New York“ besser, selbst wenn es mehr um eine halsbrecherische Befreiungsaktion geht. Denn der Präsident (Donald Pleasance, „Halloween“) war auf dem Weg zu einer für den Weltfrieden unabdingbaren Konferenz. Dieses Dilemma will sich der Duke (Soul-Legende Isaac Hayes, „Posse“), selbst ernannter Herrscher des Großraumknastes, für eine Massenflucht zunutze machen.
Die Besonderheit liegt im Setting. Die Handlung spielt 1997. Manhattan ist zur Gefängnisinsel geworden. Hier wird der Abschaum Amerikas abgeladen, umgeben von hohen Mauern und bewacht durch schwer bewaffnete Militärs. Die Wasserwege werden kontrolliert, die Ausfahrtsstraßen sind vermint. Für die Sicherheit verantwortlich ist Polizeioffizier Hauk (Western-Ikone Lee Van Cleef, „Für ein paar Dollar mehr“). Er ist es, der Plissken für das Himmelfahrtskommando einspannt. Immerhin ist der Ruf des dekorierten Ex-Soldaten auf beiden Seiten des Gesetzes legendär. Nur ist jeder der Meinung, er sei tot.
Kurt Russells Paraderolle des beinharten, mit Augenklappe versehenen Drecksacks bedeutete zugleich seinen Durchbruch. Statt als Gefangener in den anarchischen Sektor überstellt zu werden, soll er ihn als Ein-Mann-Armee infiltrieren und den Präsidenten befreien. Als Belohnung winkt ihm die Freiheit. Seine Zustimmung allerdings ist nicht erforderlich, schließlich wurden ihm zwei Minibomben in die Blutbahn injiziert, die nach 24 Stunden detonieren und seinen Tod bedeuten. Den indes könnten auch die Bewohner der New Yorker Insel hervorrufen, brutale Wilde mit Blutdurst und kannibalistischen Zügen.
Carpenter ist immer dann am besten, wenn er seine Figuren auf begrenztem Terrain gegen die Zeit kämpfen lässt. Entscheidungen verlangen so nach spontanem Aktionismus. Diese Impulsivität beschert seinen Filmen eine die Spannung steigernde Unvorhersehbarkeit, die das Tempo konstant hoch hält. Die starke Besetzung vereint mit Ernest Borgnine („The Wild Bunch“), Harry Dean Stanton („Wild at Heart“) und Adrienne Barbeau („The Fog“) einen namhaften Cast. Wirklich gefordert wird niemand, wenn Elemente des Endzeitfilms auf solche aus Thriller und Horror treffen. Der kompromisslose Blick in die Zukunft lebt bis zur garstigen Pointe von seiner Rasanz. Das ist nicht anspruchsvoll, aber durchweg packend.
Wertung: (8 / 10)