Avengement – Blutiger Freigang (GB 2019)

Ein Mann schlägt sich durch. Buchstäblich. Um am Leben zu bleiben, um Rache zu üben. Der B-Film ist voller Geschichten wie dieser. Allerdings verfügt „Avengement“ über eine Wucht, die dem Prügel- und Baller-Metier der Van Dammes, Lundgrens und Seagals nur selten zugetraut werden darf. Da trifft sich gut, dass die Hauptrolle von Scott Adkins („Universal Soldier: Day of Reckoning“) bekleidet wird, dem derzeit einzig würdigen Nachfolger der oben genannten, alternden Genre-Haudegen.

Was dem von Jesse V. Johnson (drehte mit Adkins u. a. auch „Triple Threat“ und „Savage Dog“) gefertigten Marathon-Fäustetraktat zu Gute kommt, sind Rahmen und Milieu. Denn das mit beachtlicher produktionstechnischer Güte umgesetzte Action-Drama mit Pulp-Thriller-Einschlag spielt in England, genauer in London. Dort türmt Adkins bulliger Knastinsasse Cain Burgess, nachdem er der verstorbenen Mutter (Jane Thorne, „The Foreigner“) die letzte Ehre erwiesen und die ihn bewachende Polizeieskorte vermöbelt hat. Sein Ziel ist ein Pub, zu dem er sich erst gewaltsam Zutritt verschafft und die anwesenden Gangster – u. a. Nick Moran („Accident Man“) und Thomas Turgoose („Eden Lake“) – anschließend mit einer abgesägten doppelläufigen Flinte in Schach hält.

Craig will seinen älteren Bruder Lincoln (Craig Fairbrass, „Rise of the Footsoldier“) in die Kneipe locken. Der Abrechnung wegen. Welch gewaltiges Hühnchen er mit dem Blutsverwandten zu rupfen hat, erörtert Johnson über Rückblicke, die abseits chronologischer Ordnung sämtliche offenen Fragen beantworten. Wie kam der ursprünglich ein wenig naive Craig zu seinem prägnanten Betongebiss? Woher rühren die zahlreichen Narben? Warum musste er überhaupt ins Gefängnis? Und woher hat er das Gewehr? Das erzählerische Tempo erweist sich dabei als konstant hoch – auch bedingt durch die zahlreichen Prügelszenen, die in ihrer rohen und dreckig brutalen Inszenierung („Brawl in Cell Block 99“ lässt grüßen) den Unmut der hiesigen Sittenwächter heraufbeschworen.

So wurde „Avengement“ die Erwachsenenfreigabe gleich mehrfach verweigert. Vorrangig aus Vorwürfen der Gewaltverherrlichung. Erst die dritte vorgelegte Schnittfassung, mit rund 70 zensierten Sekunden, erhielt den Segen der FSK. Paradoxerweise war der Streifen bei seiner Streaming-Premiere auf Netflix für mehrere Wochen ungekürzt abrufbar. Der beträchtliche Härtegrad bedarf dabei tatsächlich keiner Diskussion. Wenn Fäuste geschwungen und Körper malträtiert, wenn Zähne ausgetreten und Gegenstände in Körper gestochen werden, geschieht dies bar jeder Stilisierung. Jeder Konflikt, jede neue Verletzung ist für den auf sich alleine gestellten Craig Ansporn, seinen Körper über Schmerz und eisernen Willen zur Waffe umzufunktionieren.

Diese brachiale Fokussierung dient einem simplen Zweck: der Konfrontation Lincolns und seiner absehbaren Übermacht höriger Totschläger. So ist die finale Eskalation im Pub nur eine Frage der Zeit. Buchstäblicher Startschuss ist ein in Großaufnahme explodierender Kopf. Ihm folgt ein heftiges Scharmützel auf engem Raum, das dem straff und angenehm verschachtelt abgehandelten Streifen ein standesgemäß wuchtiges Finale beschert. Scott Adkins macht als gnadenloser Racheengel eine starke Figur. Anflüge von grimmigem Humor helfen dabei, das unerbittliche Szenario zu erden. Und da auch der Einfluss des aufrechten Polizisten O’Hara (Louis Mandylor, „The Mercenary“) bis zum Schluss offenbleibt, folgt die Moralvorstellung in „Avengement“ vorrangig einem kernigen Auge-um-Auge-Prinzip. Für Genre-Freaks glasklares Pflichtprogramm.  

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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