Der Blues ist die hohe Kunst der Melancholie. ARLISS NANCY können ein Lied davon singen. Oder, gemessen an ihrem dritten Langspieler „Greater Divides“, sogar 10. Den Punk hat der Vierer aus Colorado hinter sich gelassen. Wenn überhaupt wird er nur peripher spürbar, als zarter Hauch im Sog der Emotionen. An seiner Statt steht ein inspirierter Mix aus Americana und Blues-Rock. Das ist im besten Sinne unspektakulär, belegt mit rauer Stimme und Unmengen an Herzblut.
Ihre Songs sprechen meist über einfache Milieus, wenn auch mit komplexen Gefühlswelten. Es geht ums Verlassen und Verlassenwerden, alkoholgetränkte Bestandsaufnahmen und Zwischenbilanzierungen im Auf und Ab des Lebens. Das mutet hochtrabender an, als Platte und Urheber letztlich sind, die Tiefe der mit Orgel und Piano angereicherten Stücke ist jedoch einmal mehr beachtlich. Nummern wie „Don’t You Forget“, „Before You Go“, „Much of Anything“ oder „Brother, I Tried“ sind atmosphärische Highlights, die weder auf Tempo noch kalkulierte Eingängigkeit setzen müssen, um den Hörer in ihren Bann zu ziehen.
Die Entschleunigung wird bei ARLISS NANCY zur Kunstform erhoben. Die Stücke entfalten sich geradlinig, mit melodischer Finesse zwar, doch nie mit überflüssigem Zierrat. Auf dieser Grundlage könnte man ihnen eine gewisse Monotonie attestieren. Aber hier sind schlicht viel zu versierte Musiker am Werk, als dass das geschliffene Songwriting Flachheiten gestatten würde. Der Status des Geheimtipps jedenfalls sollte nach einer Scheibe wie dieser bald der Vergangenheit angehören.
Wertung: (7,5 / 10)