Alternative Fakten – Geschichten von Liebe, Hass und Bier (2020, DIY)

Wenn die gegenwärtig aufgewühlten Zeiten eines benötigen, dann sind es (noch) mehr alternative Fakten. Wobei der Klang dieser Worte abseits verschwörungstheoretischen Telegram-Geschwurbels deutlich an Reiz gewinnt. Denn hinter ALTERNATIVE FAKTEN stehen vier Kölner, die entgegen ihres Bandnamens nicht um klare Statements mit faktischer Grundierung verlegen sind. Zumindest teilweise. Denn wer ein Verhältnis von „Helmut Kohl und Dosenbier“ herstellt, verfügt entweder über eine stark individualistisch geprägte Realitätswahrnehmung (samt entsprechendem Humorverständnis), oder hat einfach zu viele Gerstenkaltschalen genossen. Vielleicht auch beides.

Mit 18 Tracks (+ das UNTERSTAAT-Vermächtnis „Sterbende Tage“) ist „Geschichten von Liebe, Hass und Bier“, drittes Album der DIY-Deutsch-Punks, üppig bestückt. Der Gesang verschafft dem erforderlichen Mindestmaß an Abwechslung durch zwei Stimmlagen, eine grölig, die andere gern kreischig, einen frühen Vorsprung. Zwingend nötig hätte die Platte diesen allerdings nicht, denn ALTERNATIVE FAKTEN wecken mit dem schmissig auf den Weltuntergang anstoßenden Opener „Morgen oder übermorgen“ nur kurzzeitig den Eindruck einer betont versoffenen Parolen-Kapelle. Schließlich bieten die Domstädter nicht nur ausreichend experimentelle Einfälle – stellvertretend genannt sei an dieser Stelle „Doitz“ –, sondern haben als instrumentalen Trumpf einen Gitarristen bei der Hand, der neben zarten Rock’n’Roll-Bekundungen momentweise auch den Metal tangiert.

Dass die Platte ungeachtet vereinzelt zu lang ausgewalzter Beiträge (siehe abermals „Helmut Kohl und Dosenbier“) nie auf der Stelle tritt, liegt auch an den eingestreuten Ska-Rhythmen (z. B. bei „Hoch die Tassen“ und „Vergebens“) – und natürlich dem heiter absurden Grundtenor. Der findet zwar immer wieder willkommene kritische Erdung, etwa bei „Faules Geld“, „Vollidiot“, oder „Bauen verkaufen“, erhebt die Kurzweil aber sympathisch deutlich zur Maxime. Dafür stehen auch „Namenslos“, „U-Bahn Sicherheit“, „13. Dezember“, „Wunderwand“ oder das auf Darmwind setzende „Greta“. Unter dem Strich eine schwer unterhaltsame Party-Platte mit stimmigem Verzicht auf Weichzeichner jeder Couleur.  

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

scroll to top