23.07.2022 – autumn kids. / Goldzilla / Morra / Bass+Arts – Schwerte, Rattenloch

Das Leben ist vielfältig. Für Konzerte sollte dasselbe gelten. Wer will schon einen ganzen Abend Bands erleben, die unisono denselben Sound pflegen? Ein Paradebeispiel bot das Rattenloch in Schwerte, wo es zwischen Stadtsparkasse und Grundschule Post-Hardcore, Deutsch-Punk, Hardcore-Punk und Noise-Rock auf die Ohren gab – und obendrein derart üppige Soundchecks, dass diese, gerade ob der amüsanten Interaktion zwischen Mischer und Bandbeteiligter, zum Verweilen vor der Bühne einluden. 

Zum Auftakt waberte – neben dem Noise-Anteil – vor allem Nebel (aus dem Dunstwerfer) durch den kleinen Amphi-Saal. Die Urheber, BASS+ARTS aus dem benachbarten Dortmund, boten als Ersatz für die ausgefallenen MORAL BOMBING über zwanzig Minuten düster experimentelle Klänge mit zwei Bassisten und prägnantem Schlagzeug-Einsatz. Der Gesang war nicht unbedingt zu verstehen, geriet im allgemeinen Kunst-Krach-Gemisch des Trios aber ohnehin zur Nebensache. Dazu passte der Verzicht auf Ansagen. Eine insgesamt seltsame Vorstellung. Aber das ist wohl integraler Teil des Konzepts.

Morra

Danach kamen MORRA, ebenfalls aus Dortmund. Gewaltig, so viel muss ergänzt werden. Der Hochgeschwindigkeits-Hardcore-Punk mit weiblichem (momentweise hysterischem) Plärrgesang gab sich weitgehend Melodie-befreit. Im Mittelpunkt standen Lärm und Leidenschaft. Und die Reduktion aufs Wesentliche. In wiederum zwanzig Minuten wurden fast ebenso viele Songs geschmettert. Der in der Spitze rund vierzig Personen starke Pulk ging gut mit. Ein Erlebnis, das definitiv Lust auf Wiederholung macht!

Goldzilla

Mit GOLDZILLA waren im Anschluss die aktuell besten unbekannten Deutsch-Punk-Verfechter* an der Reihe. Entsprechend hätten die Berliner* ein frenetisches Publikum verdient gehabt. Doch das Aufkommen blieb überschaubar. Das erscheint umso bedauerlicher, da das Trio einen schwer unterhaltsamen wie gleichsam Hit-lastigen Auftritt – gespielt wurden u. a. „Satiere“, „Das Lagerfeuerlied“, „Mein Herz ist ein illegaler Rave“, „DDD“, „Dieter stolpert“, „Repariert was euch repariert hat“ und „Zucker“ – vorlegte, bei dem bestenfalls der mitunter zu leise aus den Boxen dringende Gesang von Co-Frontperson Motte Anlass zur Beschwerde gab.

Die „Zugabe“-Rufe besorgten GOLDZILLA (stilecht vor der Bühne) gleich selbst – und coverten zum Abschluss „Durch den Monsun“ von TOKIO HOTEL. Das versetzte immerhin eine Handvoll Post-Pubertierende in Ekstase. Genau diese Begeisterung hätte gern über die volle Distanz Einzug halten können. An diesem Abend war aber auch dies offenbar Ausdruck der Vielfältigkeit. Blieben noch ATUMN KIDS. Der Fünfer aus Bamberg schien auf der Schlussgeraden ihrer einwöchigen Tour merklich angeschlagen. Sänger/Schreihals Davis wirkte heiser, der Rest vorrangig ermüdet. 

autumn kids.

Von Ermattung war bei ihrem Auftritt allerdings nichts zu spüren. Vom Fleck weg sprühte die Darbietung vor Energie und sprang zu vorgerückter Stunde auch wieder aufs Publikum über. Mit „Flightless Birds“, „1997“, „Monument“, „Coma“ oder – zum Abschluss – „Drowning“ präsentierte das Gespann packenden Post- mit Nähe zum modernen Hardcore. Der Inspiration durch die Genre-Schwergewichte DEFEATER wurde dabei mit einem Cover ihres Krachers „The Red, White and Blues“ Ausdruck verliehen. Gegen halb eins kehrte dann wieder Ruhe ins Rattenloch ein und die, die geblieben waren, wurden verschwitzt und beseelt in die Nacht entlassen. Der vielfältigen Eindrücke waren jedenfalls reichlich gewonnen.

scroll to top