21.12.2018 – Feine Sahne Fischfilet / Zugezogen Maskulin – Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle

Alles auf Rausch. Für FEINE SAHNE FISCHFILET ist das mehr als nur eine Floskel. Der Sechser von der Ostsee hat den heimischen (Punk-)Rock-Olymp im Sturm erklommen. Nach wohlgemerkt langem Anlaufweg und Jahren im Abseits des öffentlichen Interesses. Mittlerweile ist alles anders. Die kleinen Kellerclubs sind großen Hallen gewichen, statt hunderten pilgern tausende zu den Konzerten. 

Der Unterschied zu Genre-Kollegen wie DIE TOTEN HOSEN oder BROILERS ist gering und doch entscheidend: FEINE SAHNE FISCHFILET sind – entgegen der inflationären Handhabung des Begriffs – absolut authentisch. Das soziale Engagement und die klare politische Haltung formten einen Ruf, der ihnen weit vorauseilte. In aufgewühlten Zeiten wie diesen, bedingt durch die Wiedererstarkung der rechten Szene, sind sie schlicht die richtige Band zum richtigen Augenblick.

Die zurückliegende Beobachtung durch den Staatsschutz, Übergriffe auf Proberaum und Spielstätten sowie die Stigmatisierung durch BILD & Co. (siehe den Eklat um die Absage des Konzertes im Bauhaus zu Dessau) haben FEINE SAHNE FISCHFILET zu einem Bollwerk wachsen lassen. Dessen Glaubwürdigkeit fußt zu einem erheblichen Teil auf dem Verzicht auf Parolen. Die Musiker aus dem Hinterland Mecklenburg-Vorpommerns platzieren Themen, ohne sie für sich selbst zu besetzen.

Das zeigte auch der Auftritt in der Düsseldorfer Mitsubishi Electric Halle, wohlgemerkt die größte Headliner-Show der Jungs in ihrer elfjährigen Geschichte. Die Ansagen von Sänger und Gallionsfigur Jan „Monchi“ Gorkow kündeten einmal mehr davon, dass die Fans ihren Unmut gegen Rechts, Flüchtlingspolitik etc. nicht vor der Bühne, sondern auf den Straßen herausschreien sollen. Auch zur plötzlichen Popularität und der teilweisen Heldenverehrung fand er klare Worte – und Taten. So wurden u. a. Vertreter der Organisation „Solidarity at Sea“ auf die Bühne geholt, die im Mittelmeer Flüchtlinge vor dem Ertrinken retten.

Bevor FEINE SAHNE FISCHFILET aber zu einem zweistündigen Hitfeuerwerk mit Ska-Tendenzen ausholten, war es an ZUGEZOGEN MASKULIN, den rund 7.500 Zuschauern einzuheizen. Das gelang grundlegend überzeugend, wenn die Hip-Hopper aus der Hauptstadt manchen Publikumsteilen des Kontrastprogramms auch offenkundig zu viel boten. Monchi selbst kündigte das Duo unter großem Jubel an und wurde im Rahmen des 45-minütigen Auftakts im Gegenzug mit einem eigens für ihn geschriebenen Track gefeiert.

Daneben pumpten ironische, teils politisch motivierte Nummern wie „Alle gegen alle“ oder „Endlich wieder Krieg“ aus den Boxen. Aus goldenen Spritzgewehren wurde zudem Schampus in die Menge gefeuert. Gebraucht hätte es das nicht. Eine insgesamt gute Show war es trotzdem. Ihr folgte die völlige Ekstase, als der Höhepunkt des Abends zunächst eine kurze Playlist laufen ließ, bei der Klassiker u. a. von den DEAD KENNEDYS und TOTEN HOSEN die ersten Chöre befeuerten.

Als dann das die Bühne verhüllende Banner fiel, gab es in der Halle (vor allem im abgetrennten Raum direkt vor der Bühne) kein Halten mehr. Bereits die ersten beide Stücke, „Zurück in unserer Stadt“ und „Alles auf Rausch“, machten klar, dass Düsseldorf auf völlige Ausrastung aus war. Der Mob tobte, tanzte, sang und feierte, als gäbe es kein Morgen mehr. Bengalos und Rauchkerzen wurden gezündet, Moshpits freigeräumt und Menschen auf Händen getragen. Mit einem Wort: Wahnsinn.

Gespielt wurde erwartungsgemäß das gesamte jüngste Album „Sturm und Dreck“, daneben Knaller des Kalibers „Solange es brennt“, „Nur Applaus“, „Geschichten aus Jarmen“, „Wut“, „Warten auf das Meer“ und zum krönenden Abschluss (natürlich) „Komplett im Arsch“. Dazwischen gab es teils minutenlange Ansagen Monchis, in denen er Hintergründe zu einzelnen Songs ausführte (z. B. „Angst frisst Seele auf“, „Suruç“), Selbstzweifel offenbarte oder Unterstützern und Familienangehörigen der Bandmitglieder dankte.

Die rasante Entwicklung der jüngeren Vergangenheit, daran besteht kein Zweifel, hat auch sie überrollt. Umso größer ist ihnen anzurechnen, dass sich FEINE SAHNE FISCHFILET vor ihren Fans nicht überlebensgroß präsentieren, sondern als Normalos auf der Erfolgswelle, die es bei ihren Konzerten einzig auf das friedliche Miteinanderfeiern abgesehen haben. Und wenn dann auch noch dutzendfach Flaschen Discounter-Billigbier ins Publikum gereicht werden, kann eigentlich nichts schiefgehen. Mehr Ausschweifung scheint nur schwerlich möglich.

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