17.11.2009 – Billy Talent / Silverstein / Cancer Bats – Hamburg Color Line Arena

billy-talent-tour-2009Unsereins ist nicht für die großen Hallen geschaffen. Solche wie die Hamburger Color Line Arena, in der mehr als die Hälfte der Besucher mit Sitzplätzen Vorlieb nehmen muss. Ob ein Konzert letztlich auch auf den Rängen stehend verfolgt wird, spielt keine Rolle. Denn mit der Intimität stirbt auch der Zauber; ohnehin wecken Großveranstaltungen oft Assoziationen an Massentierhaltung. Im Gleichschritt trabt die Herde an, konsumiert, probt Ausgelassenheit und füttert die nimmersatte industrielle Maschinerie mit Bargeld. Im Gegenzug bekommt sie die Illusion ehrlicher Rockmusik aufgetischt. 

Die Fallhöhe eines spannungslos erwarteten überdimensionierten Fanauflaufs, vor allem eines mit 35 Euro Eintrittstaxe, erweist sich jedoch als relativ niedrig, wenn man erst mal auf der Gästeliste gelandet ist. Und so ging es über einen separaten Nebeneingang mit dem Fahrstuhl in den Logenbereich. Neben Fress- und Getränkebuden fand sich dort auch der Merch-Stand, wo Shirts zum zugegeben noch moderaten Einheitspreis von 20 Euro feilgeboten wurden. Selbstverständlich auch die der Vorbands, denen immerhin das Recht zugestanden wurde, ihre Platten für einen Zehner an den Mann zu bringen. 

Überhaupt das Vorprogramm dieser Canada Only-Tour: Sowohl SILVERSTEIN als auch den CANCER BATS war bei aller Routine deutlich anzumerken, dass sie sich auf kleineren Bühnen eindeutig wohler fühlen. Wobei sich die Erstgenannten, man erinnere sich nur an die Supporttour für SIMPLE PLAN, im Sinne des Erfolgs ja gern unter Wert verkaufen. Wirklich übel nehmen kann man ihnen das freilich nicht. Eine gesunde Portion Kalkül braucht es aber schon – anders ließe sich der strenge Wechsel zwischen härteren Nummern und weichgespülten Soft-Songs auch nicht erklären. 

Nach „Born Dead“, dem stärksten Track des jüngsten SILVERSTEIN-Albums „A Shipwreck in the Sand“, nahm Sänger Shane Told die Bewegungsfreude im Publikum wohlwollend zur Kenntnis. Doch anstatt auf dies Stimmungshoch aufzubauen, wurde mit „Smile in Your Sleep“ gleich auf Gefühlsbrei umgeschaltet. Spontaneität passt eben nicht zum in Stein gemeißelten Showablauf. Dennoch machte der knapp 40-minütige Auftritt der Screamo-Combo Laune. Nur die auf möglichst differente Geschmäcker abzielende Songauswahl (u.a. „My Disaster“, „Smashed Into Pieces“) ließ zu wünschen übrig. 

Immerhin beschworen sie der (überschaubaren) Circle Pits gleich drei auf einmal. Bei den CANCER BATS, die zum Abendauftakt den ersten Anheizer gaben, reichte die halbe Stunde immerhin für zwei kleine Pogo-Zirkel, viele Posen und veritable Hits (u.a. „Lucifer’s Rocking Chair“, „Hail Destroyer“) zwischen Metal und Schweine-Rock. Nur das Publikum wollte nicht so recht mitziehen. Dafür zeigte sich bei BILLY TALENT eindrucksvoll, wie eine Zuschauerschaft jeden Alters mit kaum mehr als einem Fingerschnipp in Ekstase versetzt werden kann. Aber so gut geölt das Getriebe des Corporate Rock auch anlief, um den rigoros abgefeierten Headliner ist es nicht gerade erfreulich bestellt. 

BILLY TALENT haben nach einem fulminanten Debütalbum zwei erschreckend unwürdige Nachfolger abgeliefert. Natürlich nicht aus kommerzieller Sicht. So sehr die geschätzt 6.000 frenetischen Anhänger den Ausverkauf der (punk-)rockigen Großspurigkeit auch zelebrierten, die mangelnde Klasse gerade des jüngeren Materials war doch überdeutlich spürbar. Gespielt wurde, was das Volk verlangte. Erstaunlicherweise kochte die Stimmung anfangs noch am heftigsten, wenn Stücke des Erstlings (u.a. „This is How It Goes“, „River Below“) geboten wurden. Auf ihre Kosten kamen die Zuschauer sicher. Trotzdem entsprach der Abend mehr der Ausblutung eines Hypes, der eine der hoffnungsvollsten Bands dieses Jahrtausends nahezu zerfressen hat. 

scroll to top