06.07.2009 – The Casting Out / Red Tape Parade – Berlin, SO36

Während der ersten Europa-Visiten von THE CASTING OUT zeigte sich Sänger Nathan Gray bevorzugt herausgeputzt, mit Schlips und Weste. Wie ein verliebter Jüngling, der Eindruck auf die Familie seiner Liebsten machen möchte. Mit dem elterlichen Segen aber weicht die Bereitschaft zum adretten Auftreten. Respektive mochte auch der ehemalige BOYSETSFIRE-Frontmann nicht länger den Eindruck einer Bankkaufmannslehre vermitteln. Im Berliner SO36 zeigte er sich demnach wieder, wie es im musikalisch lärmenden Underground üblich erscheint – nämlich im Schlabberlook.

Das Potential der kumpelhaften Indie-Punks, jene Lücke zu füllen, die SAMIAM in der letzten Dekade beharrlich aufreißen ließen, reflektierte bereits das Publikum. Der Altersdurchschnitt der geschätzten 350 Konzertbesucher pegelte sich locker in der Mitte der Zwanziger ein. Für die noch junge Band weit mehr als nur ein Achtungserfolg. Tatsächlich war die Stimmung familiär, nach leicht verhaltenem Auftakt stellte sich später auch seitens der Zuschauer echte Ausgelassenheit ein. Die eher schwache Akustik störte da weniger. Schließlich boten Gray und Begleiter über gut 70 Minuten ihr komplettes Repertoire feil.

Als Anheizer fungierten, wie schon auf der letzten Tour, RED TAPE PARADE aus Bayern. Deren Mischung aus Hardcore, Punk und Rock überzeugte diesmal mehr. Im Gegensatz zur Show, die aus verschiedenen Perspektiven aufgezeichnet wurde. Ihr Set (u.a. „Fingerprints“, „Flight 815“) ging gut nach vorn, der Sound hätte kaum besser sein können. Nur schien der sympathische Fünfer nicht für die weitgehend teilnahmslose Meute, sondern allein die Kameras zu spielen. Mit sichtlichem Bemühen wurde Lockerheit demonstriert, gefeixt, Publikumsnähe geprobt. Das wirkte gestellt, auch ein wenig nervös. Verübeln kann man ihnen dies Bemühen sicher nicht. Souveräner hätte es dennoch wirken dürfen.

Abgefilmt wurde auch der anschließende Gig von THE CASTING OUT. Nur scherten die sich nicht weiter darum. Eifrig umjubelt betraten sie die Bühne und gaben mit „Liar (And the Award Goes to…)“ gleich das Tempo vor. Nathans Mikro hallte wider, eine Gitarre versagte ihren Dienst. Der Raumklang war mäßig, wurde durch Spielfreude und die konstant steigende Atmosphäre aber locker aufgewogen. Neben dem gesamten Debütalbum „Go Crazy! Throw Fireworks!“ wurde ein neuer Song vorgestellt, die MISFITS und MINOR THREAT gecovert sowie Beiträge der ersten, noch Orgel-begleiteten EP (u.a. „Your Last Novelty“) in die punkige Ausrichtung der Gegenwart übersetzt. Das machte Spaß, lud zur Bewegung – und bewies, dass es bei großen Konzertmomenten nur bedingt auf die Akustik ankommt.

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