Die Gesellschaft wird älter. Und mit ihr die (verbliebene) Anhängerschaft des Melo-Punks. Mit zunehmender persönlicher Überreife steigt die Sehnsucht nach einem Mehr an Ruhephasen. Wo drei Tage Vollrausch mit Konzertexzessen in Serie früher noch problemlos möglich erschienen, stehen heute körperliche Gebrechen im Mittelpunkt. An einem Sonntagabend drei Stunden vor der Bühne eines überfüllten Clubs die Glieder schütteln? Für viele bedeutet das inzwischen eine ernstzunehmende Herausforderung. Die passende Antwort servierten MILLENCOLIN, selbst nicht mehr die Jüngsten, zum Abschluss ihrer Europatour im Düsseldorfer Zakk: zeitiger Beginn, zeitiges Ende.
Pünktlich zur Tagesschau begannen PKEW PKEW PKEW aus Kanada ihr rund halbstündiges Vorprogramm. Der Vierer, der auf Platte bisweilen in Richtung rau-melancholischer RED CITY RADIO-Struktur tendiert, präsentierte sich gut gelaunt und sorgte mit Tempo und Spielfreude schnell dafür, dass die ausverkaufte Halle Betriebstemperatur erreichte. Von Bewegungsübermaß war der Pulk noch nicht getrieben, dafür kündete der brandende Applaus davon, dass die Band mit ihren Stücken den richtigen Nerv traf. Bei Songs der Güteklasse „Before We Go Out Drinking“, „Asshole Pandemic“, „65 Nickels“ oder „Mid-20’s Skateboarder“ wäre alles andere aber auch eine faustdicke Überraschung gewesen.
Der famose Sound von PKEW PKEW PKEW verlor beim kurz darauf die Bühne enternden Headliner ein wenig an Nachdruck. Der prächtigen Stimmung erteilte das jedoch keine Abfuhr. Im Gegenteil. MILLENCOLIN servierten über rund 80 Minuten ein großartiges Best-of-Set aus 27 Jahren Bandgeschichte. Dabei wurden sämtliche Schaffensperioden nahezu gleichwertig berücksichtigt, wobei die meisten Songs auf den Klassiker „Pennybridge Pioneers“ (2000) entfielen, von dem „Penguins and Polar Bears“, „Material Boy“, „Pepper“ und – im Zugabenteil – „The Ballad“, „Fox“ sowie „No Cigar“ dargeboten wurden.
Die vorangegangenen ersten drei Langspieler wurden mit je zwei Titeln bedacht, namentlich „Mr. Clean“, „Leona“, „Bullion“, „Olympic“, „Lozin‘ Must“ und „Twenty Two“. Ihre wohl schwächste Phase, die zwischen „Home From Home“ (2002) und dem an diesem Abend nicht beachteten „Machine 15“ (2008), blieb mit „Kemp“, „Botanic Mistress“ und „Ray“ (vom 2005er Output „Kingwood“) auf die relevanten Referenz-Hits beschränkt. Aus dem Fundus der letzten beiden Platten, „True Brew“ (2015) und „SOS“ (2019), gab es neben den Titeltracks zudem „Egocentric Man“, „Sense & Sensibility“, „Sour Days“, „Nothing“ sowie „Let It Be“ auf die Ohren.
Natürlich blieben in der persönlichen Präferenz einige Stücke vermisst, doch lieferten MILLENCOLIN bei bester Laune einen schicken Rundumschlag, der gerade bei den älteren Krachern Publikumschöre und Circle Pits in Serie heraufbeschwor. So wurde es ein mitreißender, immens kurzweiliger Tourabschluss mit sympathischen Ansagen, den schändlichen Bühnentrenner überwindenden Nahbarkeitsbekundungen und der vorangehend dargelegten Reihung von Hit an Hit. Auf dieser Grundlage kann der sympathische Vierer noch problemlos ein weiteres Vierteljahrhundert überdauern. Vermutlich finden die Konzerte dann aber besser gleich am späten Nachmittag statt.