The Wolf of Wall Street (USA 2013)

thewolfofwallstreet„There’s no nobility in poverty. I’ve been a poor man, and I’ve been a rich man. And I choose rich every fucking time.“ – Mit Geld lebt sich’s leichter: Jordan Belfort

Das Leben ist ein Schwein! Getrieben wird es von Menschen, die Manipulation und Habgier zur Triebfeder des sozialen Miteinanders erheben. Sie sind die im Sinne ständiger Profitmaximierung jede moralische Instanz ignorierenden Investment-Banker, Börsenspekulanten und Wirtschaftsbosse (von kriegstreiberischen Tyrannen und korrupten Politikern ganz zu Schweigen) – kurzum all jene den eigenen Erfolg über das Wohl anderer stellenden Egomanen. In dieses nihilistische Weltbild stößt Martin Scorseses gallige Satire „The Wolf of Wall Street“. Es ist eine dieser Geschichten, die nur die Realität selbst schreiben konnte, ein klassisches Biopic, das sich süffisanter Übertreibung hingibt und die pervertierten Gepflogenheiten der Finanzbranche radikal offenlegt.

Meisterregisseur Scorsese vertraut dabei auf die Spielstärke von Leonardo DiCaprio, mit dem er bereits „Gangs of New York“, „The Aviator“, „The Departed“ und „Shutter Island“ drehte. Die entfesselte Intensität, mit der der grandios aufspielende Hollywood-Beau in die Rolle des betrügerischen Börsenmaklers Jordan Belfort schlüpft, brachte ihm – wie auch Film, Regie, dem adaptierten Drehbuch Terence Winters („Boardwalk Empire“) sowie Nebendarsteller Jonah Hill („Moneyball“) – eine verdiente Oscar-Nominierung ein. Gemeinsam verlangen sie dem Zuschauer einiges ab, werden Aufstieg und Fall Belforts, auf dessen selbstverfassten Memoiren der Film basiert, doch auf satte drei Stunden gestreckt. Zum Malus wird dies überraschenderweise nicht. Denn insbesondere in den ersten zwei Dritteln geben Scorsese und DiCaprio schlicht Vollgas.

Vom besten lernen heißt siegen lernen. Getreu diesem Motto beginnt der Film mit dem Einstieg des jungen Belfort in die Finanzwelt Mitte der Neunzehnachtziger. Aus bürgerlichen Verhältnissen stammend, will er es an der Wall Street zum erfolgreichen Börsenmakler bringen. Sein Mentor wird Mark Hanna (Matthew McConaughey, „Dallas Buyers Club“), der ihm auch die zynische Weltsicht näher bringt, dass die eigene Provision wichtiger ist als der Ertrag des Kunden. Damit nicht genug, propagiert er Drogen und Nutten als wichtigste Mittel der Zerstreuung. Am Black Monday, dem Tag des Erhalts seiner Zulassung, verliert Belfort wie viele andere seinen Job. Im wenig professionalisierten Segment der Pennystocks, nahezu wertloser Aktien mit hohem Provisionspotenzial, folgt schließlich sein kometenhafter Aufstieg.

Mit Nachbar Donnie Azoff (klasse: Jonah Hill) und weiteren Kollaborateuren – u.a. Jon Bernthal („The Walking Dead“) – gründet Belfort das Unternehmen Stratton Oakment, unter dessen scheinbar renommiertem Dach Pennystocks an reiche Investoren verhökert werden. Die Geschäftspraxis bewegt sich am Rande der Legalität, doch der bald als „Wolf of Wall Street“ bekannte Jungunternehmer steigt ungeachtet aller Dubiosität zum gefeierten (und ebenso berüchtigten) Börsenstar auf. Für seine ihm bedingungslos folgenden Untergebenen wird Belfort zum Guru und mit der Heirat von Model Naomie (Margot Robbie, „Pan Am“) scheint er am Ziel. Doch mit dem Erfolg steigt die Risikobereitschaft und neben dem exzessiven Drogenkonsum macht ihm bald auch FBI-Agent Denham (Kyle Chandler, „Argo“) zu schaffen.

Das absehbare Scheitern des bedingungslosen Kapitalisten inszeniert Scorsese mit selten offenbarter Konventionsverweigerung. Trotz rauschhafter Dauerbewegung der Bilder, direkten Publikumsansprachen DiCaprios und verschiedenen visuellen Raffinessen ergeht sich die Erzählung oft in Stillstand, um den amoralischen Charakter zwischen Faszination und Abscheu en détail zu offenbaren. Dies herrlich überdrehte Panoptikum aus Koks und Sexkapaden ist oftmals schreiend komisch (die Lamborghini-Fahrt!) und führt mit Jean Dujardin („The Artist“) sowie den vornehmlich als Regisseuren bekannten Rob Reiner („Harry und Sally“), Jon Favreau („Iron Man“) und Spike Jonze („Being John Malkovich“) eine ganze Riege prominenter Randakteure auf.

Die größte Stärke des Films ist allerdings, dass er nicht wütend ist, sondern die verabscheuungswürdigen Praktiken der durchaus sympathischen Figuren ätzend übersteigert. Der Hang zur Realität kommt nicht allein Jordan Belfort abhanden, wenn er den Weg von Italien in die Schweiz mit einer Bootsfahrt nach Frankreich (!) beginnt. Das imposante Tempo verlangsamt sich erst gegen Ende, wenn der nicht aufzuhaltende Fall des Finanzgenies konventionell abgehandelt wird. Über weite Strecken jedoch ist „The Wolf of Wall Street“ großartig gespieltes Polarisationskino, in dem die Ambivalenz der Darstellung selbst Befürwortern der hier ironisch verzerrten Ellenbogengesellschaft Recht erteilt. Sicher nicht jedermanns Sache und doch ein meisterlicher Zerrspiegel des radikalkapitalistischen Schweinesystems.

Wertung: 8.5 out of 10 stars (8,5 / 10)

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