Itto Ogami ist kein Mensch mehr. Zusammen mit seinem kleinen Sohn Daigoro hat der einstige Kaishakunin, der Scharfrichter des Shoguns, den Weg der Hölle eingeschlagen. Das Ziel ist Rache, am Klan der Yagyu und ihrem Anführer Retsudo (Tokio Oki). Durch eine Intrige sollte Ogami, der den in Ungnade gefallenen Fürsten beim Seppuku, dem rituellen Selbstmord, assistiert und ihnen, egal ob Mann oder Knabe, den Kopf abschlägt, entmachtet werden. Erst töten drei Attentäter seine Frau, dann wird er durch fingierte Beweise des Hochverrats am Shogunat für Schuldig befunden. Aber wer kein Mensch mehr ist, für den gelten auch keine irdischen Gesetze.
Mit der sechsteiligen Verfilmung der „Kozure Okami“-Mangas von Goseki Kojima und Kazuo Koike, der auch das Drehbuch schrieb, hat Regisseur Kenji Misumi einen unsterblichen Klassiker des japanischen (Exploitation-)Kinos geschaffen. Der Auftakt der Reihe, „Das Schwert der Rache“, erzählt in verschachtelter Manier die Vorgeschichte und zeigt darüber hinaus, auf welche Weise Ogami, herrlich stoisch gespielt von Tomisaburo Wakayama, und Daigoro (Akihiro Tomikawa) den Weg der Hölle beschreiten. Als Ronin, ein herrenloser Samurai, zieht er durch die Lande und schiebt einen hölzernen Kinderwagen mit kugelsicherem Unterbodenschutz und integriertem Waffenarsenal vor sich her. Unterwegs erwehrt er sich den Schergen Retsudos oder stellt seine Kampfkunst für Geld zur Verfügung.
Zum Auftakt nimmt Ogami den Auftrag an, einen durchtriebenen Fürsten und die von ihm befehligte Räuberbande auszuschalten, mit deren Hilfe jener plant die Machtverhältnisse in der Provinz nach seinen Vorstellungen zu formen. Bis zur Ankunft des Fürsten hält sich die Bande in einem abgelegenen Kurort auf, in dem bald auch der unscheinbare und regungslos jede Erniedrigung ertragene Ogami auftaucht. Denn erst mit Ankunft des heimtückischen Fürsten soll sein Schwert die Reihen der Gegner lichten. Genau dies geschieht, wie im japanischen Kino der Siebziger üblich, mit großzügig in die Kulissen spritzenden Blutfontänen und umherfliegenden Körperteilen.
Doch ist Okami kein belächelnswerter B-Trash, sondern ein einzig in den brutalen Actionszenen partiell übertriebenes Epos mit grimmigem Anti-Helden und feinem Gespür für die dramaturgisch stimmige Ausarbeitung von Neben- und Randfiguren. Misumi breitet die Geschichte bedächtig aus und bietet bei aller Straffung des Plots überzeugende Einblicke in gesellschaftliche Milieus und Wertvorstellungen im feudalen Japan. Der entscheidende Trumpf aber ist Tomisaburo Wakayama, älterer Bruder des legendären „Zatoichi“-Darstellers Shintaro Katsu, der mit tiefer Stimme und ohne mit der Wimper zu zucken ganze scharen von Gegnern zu psychedelisch angehauchten Gitarrensounds ausmerzt. Für Freunde kunstvoller Nippon-Exploiter ein schieres Freudenfest!
Wertung: (8 / 10)