NOFX – Single Album (2021, Fat Wreck)

„There’s no sadness, if there’s no one left to cry.“ – ‘The Big Drag’

Ungeachtet ihres unerschütterlichen Klassikerstatus‘ wird die Entwicklung von NOFX durchaus kritisch beäugt. Manchen Fans fehlt die Unbekümmertheit vergangener Tage. Gerade bei Frontmann Fat Mike. Zu viel Selbstreflexion, zu wenig Vollrausch, lauten Kommentare in den sozialen Netzwerken immer wieder. Tatsächlich sind die Kult-Punks merklich älter geworden. Vielleicht auch vernünftiger. Zumindest ein bisschen. Die Geister der Vergangenheit avancierten längst zu Paten ihres Karriereherbstes. „First Ditch Effort“ (2016) markierte einen songschreiberischen Wandel, der das Innere, die Zweifel, die unaufgearbeiteten seelischen Schatten, mehr denn je in den Fokus rückt. Es sollte nicht verwundern, dass „Single Album“, jüngster Langspieler der Kalifornier, diesen Weg unbeirrt fortsetzt.

Die zehn darauf verewigten Tracks sind eine Auswahl all der Stücke, die NOFX seit den Konsequenzen des Las-Vegas-Skandals geschrieben haben. Bekannt erscheint „Fish in a Gun Barrel“, jener im Sommer 2019 digital vorgestellte Kommentar zur Diskussion um die Verschärfung der US-Waffengesetze. Die Nummer bietet mit Temporeduktion, Ska-Rhythmus und Saxophoneinsatz einmal mehr instrumentales Kontrastprogramm. Mit „I Love You More Than I Hate Me“, „Birmingham“, „My Bro Cancer-vive Cancer“ und „Doors and Fours“ präsentiert der Vierer zudem Songs in professionellerem Soundgewand, die bereits im Rahmen des zweiten „7” of the Month Club“ vorgestellt wurden. Dass Mike & Co. bisweilen textlich besser erscheinen als musikalisch, zeigt das erwähnte „I Love You More Than I Hate Me“, das lediglich Punk-Routine offeriert – aber auch ein treffliches Beispiel für die teils betont rockige Gitarrenbehandlung durch El Hefe markiert.  

Dass es nicht um die schnelle Bedürfnisbefriedigung der Zielgruppe geht, verdeutlicht der zum Einstieg gereichte sechsminütige Menschheitsabgesang „The Big Drag“. Hier zeigt sich, wie auch bei „Doors and Fours“, dass es bisweilen mehr um atmosphärische Wandlungsfähigkeit denn urtümlichen Partycharakter geht. Der stellt sich schon eher beim Referenz-Hit „Fuck Euphemism“ ein, in dem Fat Mike einmal mehr wortgewandt die eigene Sexualität ausbreitet (und mehr noch verortet). Ein weiteres Highlight ist „Linewleum“, in dem die Band einen ihrer größten Evergreens seziert (und zitiert). Mit „Grieve Soto“ errichten NOFX überdies dem 2018 verstorbenen ADOLESCENTS-Sänger Steve Soto ein Denkmal, bei dem auch Mike das eigene Ende umtreibt. Apropos Ende: Der Schlusspunkt „Your Last Resort“ erinnert in der reduziert-schwermütigen Herleitung an dessen Solo-Projekt COKIE THE CLOWN, ehe im weiteren Verlauf die gewohnte – und ansprechend treibende Punk-Kelle zur Geltung kommt. In Summe ist „Single Album“ eine erneut lohnende Discographie-Erweiterung. Die kritischen Stimmen dürften darüber aber kaum abklingen.

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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