Mulholland Drive (USA/F 2001)

mulholland-driveNach dem narrativ überraschend geradlinigen „The Straight Story“ kehrt Mystery-Virtuose David Lynch wieder zu seinen Ursprüngen zurück. Mit „Mulholland Drive“ kreiert er erneut ein undurchsichtiges Puzzle und zelebriert, wie schon 1997 mit „Lost Highway“, sperriges Kunstkino, das nach erhöhtem Erklärungsbedarf schreit. Ursprünglich als Pilotfilm einer gleichnamigen TV-Serie geplant, waren die Produzenten mit dem von Lynch vorgelegten Resultat jedoch derart unzufrieden, dass letztlich französische Geldgeber einspringen mussten, um das Projekt zu retten. So wurde zum Nachdreh gebeten, der Film umgeschnitten und das Ergebnis als eigenständiger Film in die Kinos gebracht.

Eine mysteriöse Schwarzhaarige (Laura Herring), einzige Überlebende eines schweren Autounfalls, sucht unter Schock stehend Schutz in einem verlassenen Apartment. Das wird am Folgetag von der angehenden Schauspielerin Betty (Naomi Watts) bezogen. Die beiden Frauen kommen sich näher und Betty erklärt sich bereit, der unbekannten Schönen, die obendrein unter Gedächtnisverlust leidet, bei der Suche nach ihrer verlorenen Identität behilflich zu sein. Regisseur Adam Kershner (Justin Theroux) hat da ganz andere Sorgen, denn die Mafia will ihm sein Recht auf die Wahl der Hauptdarstellerin seines neuen Filmes streitig machen und setzt ihn so lange unter Druck, bis er einwilligt, die Besetzung nach den Wünschen der Gangster auszurichten.

Parallel spinnt David Lynch diese beiden unterschiedlichen Handlungsstränge, gaukelt dem Zuschauer über 90 Minuten vor, er habe es hier lediglich mit einem ungewöhnlichen, aber immerhin schlüssigen Thriller zu tun. Dann aber kreuzen sich die Wege der verschiedenen Charaktere, Zeitebenen und Personen werden beliebig durcheinandergewürfelt und im Schlussdrittel schließlich neu konstelliert. Ein geordenetes Erzählschema würde die Freude an Filmen des David Lynch wahrscheinlich zunichtemachen, von daher ist es auch bei „Mulholland Drive“ ratsam, diesen famosen Bildersturm voller Doppeldeutigkeiten und Sinnbildern einfach über sich hereinbrechen zu lassen.

Gesteigertem Unverständnis zum Trotz schließt sich mit den letzten Szenenfolgen ein Kreis für den Zuschauer und hofiert interpretatorische Ansätze, die Licht ins Dunkel der verschachtelten Handlung bringen können. Das bei all dem auch ein gewisser Hang zu morbidem Humor nicht zu kurz kommt, belegt ein episodenhaftes Fragment des Films, in dem ein Auftragskiller ein mysteriöses schwarzes Adressbuch organisieren soll, wobei der inszenierte Selbstmord des Besitzers allerhand Komplikationen in sich birgt. David Lynch versteht es wie kaum ein zweiter, den Zuschauer in seinen Bann zu ziehen. Dabei überrascht er mit immer neuen, bisweilen geradezu verstörenden Bilderfolgen, schockiert und gibt Rätsel auf, ohne eine leicht zu erschließende Auflösung zu präsentieren.

Die nach seiner Pfeife tanzenden Akteure fügen sich scheinbar willenlos, anders sind die hochklassigen Vorstellungen von Laura Harring („Final Payback“) und allen voran Naomi Watts („Tank Girl“) nicht zu erklären. Nebenbei bereichern versierte Darsteller wie Robert Forster („Jackie Brown“), Dan Hedaya („Blood Simple“) oder Michael J. Anderson („Twin Peaks“)  mit ihren undurchschaubaren Nebenrollen das Geschehen. Ausnahmeregisseur David Lynch hat erneut den Beweis angetreten, dass seine Filme nicht für die breite Masse bestimmt sind. Seine stilvollen Werke residieren lieber im Untergrund der Filmindustrie, von Kritikern gelobt, von den Zuschauern meist kaum beachtet. Ungeachtet dessen sollte man sich diesen surrealen Albtraum nicht entgehen lassen!

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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