Die Klasse von 1984 (CAN 1982)

„Im letzten Jahr wurden an amerikanischen High Schools 280.000 Gewalttaten von Schülern an ihren Lehrern verübt…

Unglücklicherweise basiert dieser Film auf wahren Begebenheiten…

Glücklicherweise gibt es nur wenige Schulen wie die „Lincoln High“, …jedenfalls im Augenblick.“ – Die einleitende Texttafel

Die Jugend ist am Arsch. Das war in den 1950ern, der Ära der „Halbstarken“, so und hat sich – zumindest aus konservativer Warte – bis heute nicht geändert. Im Zentrum steht das Aufbegehren gegen adulte Strukturen und Lebensweisen. Allerdings hat der Protest über die Jahrzehnte an politischer Dimensionierung verloren. Geblieben ist die Gewaltbereitschaft, die im Zeitalter der „Generation Z“ mehr denn je als probates Mittel der Konfliktlösung eracthet wird.

Das Kino hatte schon immer seine eigene Art, auf derartige gesellschaftliche Entwicklungen zu reagieren. Ein reißerisches, darüber aber nicht weniger zugkräftiges Beispiel ist „Die Klasse von 1984“. Dabei macht „Phantom Kommando“-Regisseur Mark L. Lester aus der Verkommenheit der „No Future“-Generation bereits im Vorspann keinen Hehl, wenn er zum Synthesizer-Rock von Alice Cooper – die Musik (und den Rest-Score) schrieb Lalo Schifrin („Der Mann mit der Todeskralle“) – Ladendiebstahl, Graffiti-Vandalismus, wildes Knutschen in der Öffentlichkeit, Rauferei und Drogenkonsum verknüpft. Dass Lehrer Terry Corrigan (Roddy McDowell, „Planet der Affen“) eine Pistole im Aktenkoffer mit in die Penne bringt, kann ihm das Publikum da unmöglich verargen.

Der neue Musiklehrer Andrew Norris (Perry King, „Trio mit vier Fäusten“) hat seinen Glauben an System und Sozietät noch nicht verloren. Fraglich bleibt trotzdem, warum er so überrascht scheint, in der neuen Arbeitsstätte (jener Lincoln High School) einen solchen Moloch vorzufinden; einschließlich Überwachungskameras in den Gängen und Metall-Detektor zur Aufspürung von Waffen in der Eingangshalle. Der Unterricht, so der Rektor, wird eher nebenbei erledigt. Hauptaufgabe sei es, die unkontrollierbaren Jugendlichen im Zaum zu halten. Deren gefährlichster ist Peter Stegman (Timothy Van Patten, der als Produzent und Regisseur später an Formaten wie „Die Sopranos“ und „Boardwalk Empire“ beteiligt war), Kontrollorgan des schulischen Drogenhandels.

Mit seinem White-Trash-Gefolge (u. a. Lisa Langlois, „Ab in die Ewigkeit“) frönt der menschenfeindliche Abschaum in Punker-Aufmachung der Einschüchterung etwaiger Konkurrenten und Zeugen. Dass er sich auch als Zuhälter betätigt, fügt sich reibungsfrei ins Gesamtbild. Die lernbeflissenen Schülerinnen und Schüler, darunter das kommende Kino-Idol Michael J. Fox („Zurück in die Zukunft“), erscheinen im Vergleich wie Lämmer im Schlachthaus. Dass Stegman Fähigkeiten am Klavier offenbart, verblüfft nicht allein Norris, der das Schulorchester auf ein wichtiges Konzert vorbereitet. Auch das Publikum darf sich ob der punktierten Ambivalenz im Abseits standardisierter Sleaze-Unterhaltung wähnen.

Doch zwischen dem kriminellen Jungen aus gutem Hause und dem anders als das Kollegium gegen die Unruhestifter vorgehenden Pauker entwickelt sich ein schrittweise eskalierender Konflikt. Bei der Polizei, vertreten durch Al Waxman („Avanaida – Todesbiss der Satansviper“), kommt Norris nicht weiter. So sieht er, als seine Frau ins Visier von Stegman & Co. Gerät, endgültig rot. Dabei zieht Lester, der den Film als sein bestes Werk betrachtet, Parallelen zu „Die Saat der Gewalt“ (1955) und „Uhrwerk Orange“ (1971). Als Anregung der Handlung – das Skript schrieb Lester mit John Saxton („Ilsa: She-Wolf of the SS“) und Tom Holland („Chucky – Die Mörderpuppe“) – diente u. a. ein Bericht über einen Lehrer, der Schüler mit einer Pistole bedroht hatte. Die Begebenheit wurde im Film aufgegriffen.

Der Reiz speist sich bis heute aus der abgründigen Atmosphäre und der konsequenten Zuspitzung des Duells Lehrer gegen Schüler. Nach zwei Dritteln, in denen nach exploitativer Bauart Drama mit Thriller verknüpft wird, mündet die Geschichte mit der zehrend ausgereizten Gruppenvergewaltigung in einen Revenge-Ausklang mit erhöhtem Blutzoll (inklusive der berüchtigten Kreissägen-Tötung) und Anlehnungen ans Horror-Genre. Der fraglos tendenziöse Klassiker zog – neben zwei Sci-Fi-Sequels unter dem Titel „Die Klasse von 1999“ (1990 & 1994) – manchen Quasi-Trittbrettfahrer nach sich, darunter „Die Kids von Orlando (1985) und „Der Prinzipal“ (1987). Auch da wird Gewalt allein mit Gegengewalt vergolten. Komplexe Lösungsansätze sind mit dem Regelwerk des Genre-Kinos eben nur schwer vereinbar.

Wertung: 6.5 out of 10 stars (6,5 / 10)

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