31.05.2020 – Knochenfabrik – Köln, Sonic Ballroom (Streaming-Konzert)

Der Sonic Ballroom und KNOCHENFABRIK gehören zusammen. So wie Bud Spencer und Terence Hill. Oder Xavier Naidoo und sein Aluhut. Auch in Zeiten von Corona, auch unter Ausschluss des Publikums. Denn Punk braucht es in den aktuell schwierigen Zeiten mehr denn je. Allein schon, um all die darbenden Clubs am Leben zu halten. Eine mittlerweile bewährte Maßnahme sind Streaming-Konzerte. Die ersetzen zwar nicht einmal ansatzweise das immanente Live-Feeling, dafür riecht man danach nicht nach Bier, Kippen und drei Wochen Hygieneverweigerung. Zumindest meistens. In der verqueren Lage sind solche digitalen Konzert-Placebos aber nun mal das Einzige, was möglich erscheint.  

Aber zurück zu KNOCHENFABRIK und dem Sonic Ballroom: Um der Kölner Musikkneipe beizustehen, spielten die Domstädter um Sänger/Gitarrist Claus (CHEFDENKER) und Drummer Achim (SUPERNICHTS/DETLEF) einen Gig ohne Publikum. Übertragen wurde die Veranstaltung via Facebook und YouTube, wo sich weit mehr Menschen zuschalteten, als vor der Bühne Platz gefunden hätten. Über Facebook waren es in der Spitze mehr als 370 Zuschauer/innen. Laut einem Kommentar sahen auf YouTube sogar noch deutlich mehr Interessierte zu. Für KNOCHENFABRIK sollte es die erste Show seit Rosenmontag sein. Ihre beste wurde es nicht. Achims Fazit nach zwei sehr geschwätzigen und ebenso unterhaltsamen Stunden: „Ich hab‘ noch nie so ein beschissenes Konzert im Ballroom gespielt.“

Der Beginn um kurz nach neun blieb von gesanglicher Nichtexistenz überschattet. Wären da nicht die Kollektiv-Chöre gewesen (u. a. bei „Du bist so anders“), es hätte ein Instrumental-Auftritt werden können. Oder einer mit Karaoke-Versionen. Die Tonprobleme hielten bis zum vierten Song („Der nackte Golfer“). Danach wurde es besser. Und redseliger. Mindestens die Hälfte, gefühlt eher 96,3 Prozent des Konzerts schwafelte das Trio in die Leere des Raumes. Es gab Geburtstags- und Genesungswünsche, Kommentare zu Corona-Verschwörungstheorien, Diskussionen über Religion (Zitat: „Das einzige, was der Heilige Geist nicht überwinden kann, ist Nato-Draht.“) oder die weltumspannende Frage, ob nun Britney Spears oder Lady Gaga die besseren Songs vorweisen kann.

Apropos Songs: KNOCHENFABRIK spielten an diesem Abend nie zwei am Stück. So wirkte die ulkige Performance wie eine öffentliche Probe. Kamerabegleitung beim Klogang inklusive. Sobald es musikalisch zuging, stellte sich jedoch Erhellung ein. Und Sehnsucht. Denn solch schön schrabbeligen wie geil gröligen Punk muss man einfach mit Hopfenschorle in der Hand vor der Bühne erleben – und nicht mit Kopfhörer und Ingwer-Tee vorm Laptop, während die Kids auf der Couch nebenan über Spotify Yakari-Hörspiele streamen. Trotzdem sorgten bewährte Hits wie „Notruf“, „Ruf mich an“, „Fuck Off“, „Kleingeld“, „Zu Fuß nach Nashville“, „Grüne Haare“, „Der jüngste Tag“ (mit Mut zur textlichen Lücke), „Im Fadenkreuz“, „Es fährt kein Zug nach Nirgendwo“, „Ernährungspyramiden“ (mit Mut zur instrumentalen Lücke), „Buchstabennudelsuppe“ oder „Die Tochter vom Nachbarn“ für munteres Kreisgrinsen.

Einen Zugabenblock gab es auch. Der digitale Beifall erschien einfach zu überwältigend. So dankten es KNOCHENFABRIK mit einer Endlosversion von „Toni Schumacher“. Der folgten noch, na klar, „Filmriss“ sowie „Frau Schmitt“. Um der Absurdität des Rahmens Genüge zu tun, flogen am Ende Drumsticks ins Nichts. Nach zwei Stunden und (rund) zwanzig Gassenhauern folgte mit der kollektiven Verbeugung (natürlich mit Mundschutz und Sicherheitsabstand) der Schlusspunkt eines enorm kurzweiligen Konzertabends. Dafür ein großes Lob an alle Beteiligten. Hauptsache mal wieder Sonic Ballroom. Und Punk. Bis in Bälde. Dann aber in Persona.

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