25.11.2023 – Slime / 100 Kilo Herz / Tyna – Düsseldorf, Zakk

Im deutschen Polit-Punk gibt es kaum ein größeres Pfund als SLIME. Seit mehr als vierzig Jahren stehen die Hamburger für linksradikalen Protest. Daran hat sich auch durch die Trennung von Sänger Dirk Jora nichts geändert. Mit dem „Neuen“ am Mikro, dem Berliner Straßensänger und ehemaligen Obdachlosen Tex Brasket, hat sich der Charakter zwar nicht grundlegend gewandelt – trotzdem hat sich die Marke verändert. Die Themen, zumindest auf dem jüngsten Album „Zwei“ (2022), entsprechen weitgehend Braskets Perspektive und Erfahrungsspektrum. Die wichtigste Frage schien, ob das Publikum den einschneidenden Besetzungswechsel mittragen würde. Die ausverkaufte Show im Düsseldorfer Zakk beantwortete sie eindeutig.

Die volle Halle resultierte aber auch aus dem Auftritt von Co-Headliner 100 KILO HERZ, die im Rahmen der Tour zur neuen Platte, „Zurück nach Hause“, in der Landeshauptstadt Station machten. Dabei bildete ihr Gastspiel eine der letzten Gelegenheiten, die Band mit dem aussteigenden Sänger Rodi – und dem ebenfalls scheidenden Gitarristen Basti – erleben zu dürfen. Vor den Leipzigern wurde das Spektakel allerdings von TYNA eröffnet, deren Mix aus Deutsch-Punk und 80’s-Pop nach Maß einheizte. Dabei zeigte sich früh, dass der Raumklang sehr klar und voluminös aus den Boxen drang. Im Zakk ist das wahrlich keine Selbstverständlichkeit.

Aus ihrem rund halbstündigen Zeitfenster holten die Hamburger*innen alles raus. Es wurde gesungen und geplärrt, gestänkert und gerockt. Das Publikum ging gut mit und u. a. mit „Zu viel für dich“, „Anomalie“, „Beschwerdefrei“ oder „Wir haben Platz“ boten Frontfrau Tina und Mitstreiter*innen Hits in Serie. Dabei wirkte das Ganze ein bisschen wie die Übersetzung von „Formel 1“ mit Ingolf Lück in den Duktus des Punks. Ein schlichtweg famoser Auftakt! Dem ließen Rodi & Co. ein Feuerwerk folgen, bei dem der Pulk teils ekstatisch mitging. Mitgereiste Fans schwenkten Fahnen und leisteten der Begeisterung mit vollem Einsatz Vorschub.

Beim Gros der gespielten Songs – darunter „Lichter aus“, „Drei Jahre ausgebrannt“, „Hölle aus Pastell“ (mit Gastsängerin Amy von KOPFECHO), „Station 30“, „Pogo und Polka“, der WIR SIND HELDEN-Klassiker „Denkmal“, „Keine Zeit für Angst“, „Der Späti an der Klinik“, „Scheren fressen“, „Dreck und Glitzer“, „Pass auf dich auf“ oder „Laternensong“ – stimmte die Meute textsicher ein. Mit Ansagen hielt sich Rodi im Sinne der Zeitersparnis zurück. Am Ende des knapp 70-minütigen Sets blieb aber doch noch Raum für Politisches und Emotionales. Für 100 KILO HERZ wird es mit neuem Sänger weitergehen. Der „alte“, das zeigte der zurecht euphorisch abgefeierte Auftritt an diesem Abend, wird trotzdem fehlen.

Zu guter Letzt SLIME, an deren Durchschlagskraft auch mit der Neubesetzung am Mikrofon kein Zweifel bestehen durfte. Als Beleg durfte herhalten, dass das Publikum auch die „Zwei“-Beiträge, solche wie „Komm schon klar“, „Nix von Punkrock“, „Weil fickt euch alle“, „Safari“, „Sein wie die“ oder „Wut im Bauch“, lauthals mitschmetterte. Dabei störte wenig, dass die von Brasket besungenen Lebenserfahrungen teils immens weit von der Alltagsrealität der Fans entfernt liegen. Obendrein wurden die neuen Beiträge stimmig ins Gesamt-Set eingebunden, so dass die vielen, oft sehr alten Klassiker keinesfalls in den Hintergrund rückten.

Bei Knallern wie „A.C.A.B.“, „Alle gegen alle“, „Sie wollen wieder schießen dürfen“, „Alptraum“, „Schweineherbst“, „Deutschland“, dem ABWÄRTS-Cover „Computerstaat“, „Linke Spießer“, „Störtebecker“ oder „Religion“ stand ohnehin niemand still. Damit gelang der Deutsch-Punk-Institution auch vor Publikum die Erneuerung – und die Krönung eines Konzertabends, der mit einem Wort als großartig bezeichnet werden muss.

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