Buch-Review: Jim Lindberg – Punk Rocker sind auch nur Väter (2008)

jimlindbergbuchKönnen Punk-Rocker Vorbilder sein? Rebellen unbedingt, Ikonen vielleicht, aber Vorbilder? Sie stehen für die Auflehnung, den unbeugsamen sozialen Individualismus, genügen aber nur selten den Ansprüchen konformistisch konservativer Leitbilder. Einer, der beide so grundverschiedenen Seiten zu vereinbaren sucht, ist Jim Lindberg. Er ist Musiker, als Frontmann der Kalifornischen Band PENNYWISE quasi von Beruf Punk-Rocker. Allerdings, und hier kommt die vorbildliche Pflicht ins Spiel, ist er auch Vater dreier Töchter. Ihnen kann er unmöglich die von ihm selbst besungenen Attitüden von Widerstand und Ungehorsam vorleben und zugleich verlangen, dass sie sich im Sinne gesellschaftlicher Normen unterordnen.

Mit „Punk Rocker sind auch nur Väter“ (im Englischen „Punk Rock Dad: No Rules, Just Real Life“) hat Lindberg ein Buch über seine Doppelrolle als Freigeist und Vaterfigur geschrieben. Ein sehr unterhaltsames, ungemein spaßiges noch dazu – und das nicht nur für Punk-Fans. Denn manch werdende Eltern, insbesondere Männer, werden sich mit dem plötzlich aus dem eingebildeten Traum ewiger Freiheit gerissenen Erzähler identifizieren können, dem die Gattin eines Tages völlig unerwartet von dem Baby berichtet, das da in ihrem Bauch heranwächst. Doch es gelingt ihm, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen. Mit Mühe, Entbehrungen, aber auch einer Frau an seiner Seite, die den Drang und insbesondere die Marotten des Chaoten aus Überzeugung nahezu fürsorglich zu tolerieren versteht.

Der Einstieg erfolgt über einen exemplarischen Elternabend, an dem sich Lindberg bemüht, den für ihn unbequemen Fragen über seinen Werdegang auszuweichen. Denn welcher erfolgreiche Geschäftsmann, Vertreter oder Anwalt hätte je von PENNYWISE gehört? Die Klassenlehrerin einer Tochter hingegen kennt sogar den Titel eines (seinerzeit) aktuell im Radio gespielten Songs – „Fuck Authority“. Mit dem geht die existentialistische Frage des Buches einher: Wie kann man seine Kinder zu zivilem Gehorsam und der Achtung anderer erziehen, wenn man auf Bühnen rund um den Globus gleichzeitig (staatliche) Autorität strikt ablehnt? Das Buch will dabei nicht als Ratgeber verstanden werden und ist auch keine Anleitung zur erfolgreichen Aufzucht kleiner Wohlstands-Punks, sondern schlichtweg ein augenzwinkernder Erlebnisbericht.

Abseits vollgeschissener Windeln, aufmüpfiger Töchter und lautstarkem Musizieren in der Garage geht Lindberg mit sich selbst ebenso ironisch ins Gericht, wie mit dem gesamten Zirkus des Punkertums. Von der modernen Gesellschaft ganz zu Schweigen! Vor der sich ankündigenden Vaterschaft beschreibt er seine Jugend, die Entdeckung des Punk, erste Gehversuche in Garagenbands, Jobs in Schlips und Kragen. Mit der Rolle des Sängers bei PENNYWISE beginnt 1989 der Aufstieg. Das Hobby wird zur Profession. Auch tragische Kapitel werden nicht verschwiegen, was (natürlich) den Selbstmord von Bassist und Gründungsmitglied Jason Matthew Thirsk im Jahre 1996 meint. So entsteht ein liebenswertes, lebendiges und mit zahlreichen Anekdoten gespicktes Statement für die Familie – und den Punk-Rocker in ihrer Mitte. Ein lässig geschriebenes, enorm kurzweiliges Lesevergnügen.

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