27.07. – 28.07.2007 – Berlin Festival u. a. mit Peaches, Tocotronic, The Go! Team – Berlin, Poststadion

Die Saison der Freiluftfestivals klingt allmählich aus. Die kleineren kommen zum Zuge. Solche wie das „Berlin Festival“. Zum dritten Male luden die Veranstalter zum beschaulichen Mix aus Elektro, Pop und Rock ein. Das erste Mal unmittelbar in der Hauptstadt. Geschätzte 3.000 Besucher fanden ihren Weg ins Poststadion Berlin-Mitte, um unweit des neuen Hauptbahnhofs in Entzücken zu verfallen. Oder das, was der eine oder andere dafür halten mag. Bombastisch war es nicht, nur wird das auch kaum das Ansinnen der Initiatoren gewesen sein. Die große Fläche und die darauf platzierten zwei Bühnen vermittelten eher das Gefühl allumfassender Gemütlichkeit. Nicht zu aufdringlich, nicht zu pompös. Lieber nur ein paar Bierstände, besser nur eine überschaubare Zahl an Fressbuden. Das Konzept ging auf. Zwar entfaltete Hauptsponsor Nokia beizeiten gesteigertes Nervpotenzial, wenn mal wieder der übergroße schwarze Ball mit Markenschriftzug durchs Publikum gereicht wurde, insgesamt aber ächzte diese Festivalität nicht vollends unter dem Gewicht der unabkömmlichen Geldgeber.

Musikalisch ging es bunt zu, zur Eröffnung beider Tage jedoch Arm an Besuchern. Der Freitag stand noch ganz im Zeichen der letzten Arbeitsstunden vor dem verdienten Wochenende, als PITCHTUNER den Reigen zu sprühen begannen. Bereits auf dem letztjährigen „Melt!“ konnte das süddeutsche Trio überzeugen, ist ihr LoFi-Elektro-Pop doch durchzogen von Anleihen beim Indie-Rock. Zusätzliches Flair bringt Gitarristin Miki Yoshimura ins Spiel, gerade wenn sie die Songs auf Japanisch einstimmt. Der Unterhaltungswert des Festivals endete aber nicht mit Abschluss einer jeweiligen Show, sondern fand seine Fortsetzung im unermüdlichen Schaulaufen diverser „Fashion-Victims“, die, vornehmlich männlichen Geschlechts, auch vor dem Gebrauch quietschbunter Leggins und beißenden Neonfarben nicht zurückschreckten.

Neben ordentlichen bis durchschnittlichen Rockbands, darunter solche wie THE PRESETS und JAPE (beide Kategorie 1) oder THE FILMS und KILIANS (beide Kategorie 2), stachen insbesondere die schrägen Vertreter hervor. Weit oben rangierten dabei MIT, ein Berliner Trio zwischen Garage-Punk und Soundtüftelei. Nicht selten erinnerten sie an die Frühzeit der BEASTIE BOYS, was auch an den gänzlich unmelodisch in deutscher und englischer Sprache geschrienen Vocals lag. TOCOTRONIC, Headliner des Freitags, gaben eine routinierte, insgesamt aber nur sporadisch mitreißende Performance ab, bei der das bunt gemixte Set so manchen Zuschauer zur stimmlichen Unterstützung anregte. Nett anzuschauen, doch etwas lahm präsentierten sich die Schwiegermütterträume PETER BJÖRN AND JOHN, die ihr Abräumeralbum „Writer’s Block“ herunterspielten und den gebotenen Zuspruch ernteten. Das genügte, wenn es auch den Boden unter den Füßen beließ.

Aber nun zu den Höhepunkten: Ein solcher war der Auftritt der New Yorker-DJane PRINCESS SUPERSTAR, die spärlich bekleidet und schweinefröhlich die kleine Bühne am Freitagabend zum Brodeln brachte. Sehr zur Begeisterung des euphorischen Pulks flocht sie zahlreiche Klassiker der Rock- und Rapgeschichte, von PUBLIC ENEMY über HOUSE OF PAIN bis hin zu NIRVANA, in ihre Darbietung elektronischer Tüfteleien ein. Vom Ergebnis ließ man sich gern gefangen nehmen, zumal die Stimmung nur selten an diesem Wochenende ein derartiges Hoch erklomm. Deren Spitze besorgte zum samstäglichen Abschluss PEACHES, die trotz fortschreitenden Alters einen brachialen Ritt zwischen elektronischen Beats und harten Riffs unternahm. Die gebürtige Kanadierin nahm ihr Publikum – das sich vor der Bühne drängte – gefangen und ließ ihre meist freizügig um das Thema Sex firmierenden Songs wie Bomben auf die frenetischen Zuschauer niederprasseln.

Weiterhin zu begeistern wusste auch das ebenfalls in New York ansässige Damentrio AU REVOIR SIMONE, das am frühen Samstag Nachmittag bezaubernden Elektro-Pop mit mehrstimmigem Gesang und üppigem Keyboardgebrauch auf der Hauptbühne vortrug. Ihr jüngstes Album „The Bird of Music“ fand ausreichend Verwendung, während das leicht tapsige Auftreten des sympathischen Dreiers für manches Schmunzeln sorgte. Dem Publikum gefiel es, so dass sich die auch im Anschluss um Zuschauernähe bemühten Musikerinnen wohl behütet fühlen durften. Einen drauf setzte später am selben Tag das englische GO! TEAM. Das mit Spannung erwartete neue Album „Proof of Youth“ feiert im September Veröffentlichung. Zelebriert wurde es bereits im Vorfeld. Elektro-Pop trifft Funk trifft Rock. Mit zwei Schlagzeugen und jeder Menge Energie – in besonderem Maße ausgehend von der quirligen Frontfrau Ninja – brachte das Sextett eine umjubelte Performance aufs Parkett, bei dem selbstredend auch das brillante Debüt „Thunder, Lightning, Strike“ ausreichend gewürdigt (und abgefeiert) wurde.

Definitiv eine Reise wert, überzeugte das „Berlin Festival“ durch Überschaubarkeit auf großzügiger Fläche. Die Künstler waren für jeden Geschmack bunt gemischt, so dass sich illustres Volk zum in der Party vereinten Pulk mengte. Musikalisch gab es die Etablierten und die Unbekannten, von denen nicht alle sehenswert waren, jedoch mit der notwendigen Begeisterung zur Sache gingen. Die Stimmung war gut, das Wetter auch. Insgesamt zwei angenehm unaufgeregte Tage voller Musik und Tanz, die im kommenden Jahr gern auf gleiche Weise begangen werden dürfen.

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