04.05.2005 – The Neanderthals / The Hi-Risers – Berlin, Wild at Heart

Wenn Bands der Originalität halber zu wüsten Kostümierungen greifen, ist ein dickes Fell oberste Prämisse. MAN OR ASTRO MAN? schmückten auf diese Weise erfolgreich eine irrwitzige Geschichte um ihre – potentiell zumindest mögliche – außerirdische Herkunft aus. Doch welch künstlerischen Vorstoß das vierköpfige Gespann THE NEANDERTHALS unternimmt, um sein (im positivsten Sinne) beschränktes Können zu übertünchen, grenzt an selbstgeißelnde Masturbation. Denn die steinalte Band um Gitarrist Eddie Angel und Sänger Johnny Rabb kleidet sich dem Namen entsprechend in künstliches Leopardenfell und garniert den schillernden Aufzug mit Plastik-Keule und schwarzer Zorro-Maskierung vor den Augen. Diese abgefahrene Mixtur aus Fred Feuerstein und den Panzerknackern live erleben zu dürfen, ist ein Privileg, welches fast als ungläubige Einbildung übersehen worden wäre.

Aber alles auf Anfang: Liebe auf den ersten Blick könnte man es nennen, was dem Schreiber dieser Zeilen widerfuhr, als er im Sommer 2002 erstmals ein Album der NEANDERTHALS in den Händen hielt. „The Latest Menace to the Human Race“ – so der Titel des 1998 veröffentlichten Prunkstücks – bringt bereits auf dem Cover Neandertaler, Werwolf und Kiemenmann zusammen und deutet die inhaltliche Affinität zu herrlich debilen Texten und reichlich B-Movie-Flair schon im Vorfeld an. Der eher zufällige Zugriff auf die Internetseite des Wild at Heart offenbarte dann kürzlich die unverhoffte Botschaft, dass die NEANDERTHALS auf ihrer Europatour in der Hauptstadt gastieren würden. Von da an gab es kein Halten mehr…

Gegen Viertel vor elf begann die einzige Vorband ihr fulminantes Tagewerk. THE HI-RISERS – von denen zwei Drittel im Anschluss auch in schickem Leopardenfell Saiten, bzw. Drumsticks malträtierte – präsentierten bei grandioser Akustik 50’s-Rock’n’Roll, der selbst Chuck Berry vor Freude Tränen in die Augen getrieben hätte. Das Trio hortete nicht nur einhellige Sympathie, sondern schickte das Wild at Heart mitsamt den etwa 150 anwesenden Zuschauern auf eine brillant instrumentalisierte Zeitreise. Das die NEANDERTHALS da unmöglich würden mithalten können, bestätigte sich bereits kurz darauf. Wer die Qualität ihrer Songs auf Konserve kennt – schnoddriger Garagen-Rock’n’Roll mit freudespendend beschissenem Sound – erlebte somit keine Überraschung. Und doch stellte das Quintett jede Professionalität mit überbordender Spielfreude im Handstreich in den Schatten.

Die Soundqualität entsprach den Erwartungen, die Aufzüge der bestgelaunten Beteiligten auch. Wenn eine Band auf Tour geht, die seit etlichen Jahren kein neues Material eingespielt hat, dann sollte der Spaß wohl auch im Vordergrund stehen. Und so geschah es. Mit Songs wie „Werewolf From Outer Space“, „Betty Lou’s Got a New Tattoo”, „Ballbuster Baby”, „2000 Pound Werewolf”, „Arula Mata Gali”, „Jungle Zombies (Ate My Baby!)” oder dem famosen „Girl and a Hot Rod” brachten die NEANDERTHALS die Meute zum kochen. Mal wurde gesungen, mal nur instrumentiert – dazu wahlweise wüste Urschreie ausgestoßen. Dabei unterstützte Johnny Rabb nach Leibeskräften seinen Drummer, indem er die Plastik-Keule eifrig auf seine persönliche Trommel niedersausen ließ. Nach viel Bier, etlichen Zugaben und fast eineinhalbstündiger Spielzeit war der inbrünstig abgefeierte Zauber dann vorbei – und das Schatzkästchen der Erinnerungen an große Konzerte um eine weitere Perle reicher!

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