Es ist wie immer: Ein Hai terrorisiert ein Küstenstädtchen und während die Menschen vorrangig finanzielle Konsequenzen ob des versiegenden Touristikstroms fürchten, muss die lokale Polizeipräsenz zur Rettung schreiten. Doch halt, abseits des altbekannten Grundgerüsts ist wenig wie immer. Denn mit „Year of the Shark“ folgen die für Regie und Drehbuch verantwortlichen Brüder Ludovic und Zoran Boukherma („Teddy“) nur vermeintlich dem Fahrwasser des Tier-Terror-Meilensteins „Der weiße Hai“ (1975). Ihr Raubfisch ist lediglich Mittel zum Zweck, um genüsslich die Spaltung der Gesellschaft in Extremsituationen zu beleuchten.
Diese satirisch angehauchte Prämisse stützt ihre Aktualität durch Wiederholte Verweise auf die Corona-Pandemie. Dabei setzt der Ansatz der Boukhermas auf Simplifizierung, bei der die Ursache ersetzt und das Spannungsfeld eingedampft wird. Statt einer ganzen Nation (oder mehr noch Staatengemeinschaft) ist allein die verschlafene Gemeinde La Pointe an der Atlantikküste betroffen. Dort wird zu Beginn ein Tourist Opfer des Hais. Die passionierte Wasserschutzpolizistin Maja Bordenave (Marina Foïs, „The Beasts“), die wenige Tage vor der vorzeitigen Pensionierung steht, stellt dem Tier – unter Berücksichtigung der üblichen Zweifel an ihrer Theorie – nach.
Tatsächlich gelingt es ihr, die Obrigkeit zu überzeugen und den Hai lebend zu fangen. Das Ziel ist es, ihn anschließend einer artgerechten Auswilderung zuzuführen. Doch der Raubfisch entkommt und fordert bald ein weiteres Opfer (mit prägnanter Riesennase). Damit zieht sich Maja den Zorn der Einwohnerschaft zu. Angesichts der zunehmenden Ächtung stößt selbst ihr stets verständnisvoller Gatte Thierry (Kad Merad, „Willkommen bei den Sch‘tis“) an seine Grenzen. Um die Angelegenheit zu bereinigen, fährt die Zwangs-Pensionärin mit den Kollegen Eugénie (wirkte bereits in „Teddy“ mit: Christine Gautier) und Blaise (Jean-Pascal Zadi, „Simply Black“) aufs Meer hinaus, um die Gefahr endgültig zu bannen.
Der Ansatz verfügt, gemessen an vergleichbar gediegenen Inszenierungsstandards der Marke Wes Anderson oder Jim Jarmusch, über eigentümlichen Reiz. Allerdings lässt die (erzählerische) Umsetzung Raum für Kritik. Das liegt vorrangig daran, dass das komödiantische Vermögen der Besetzung kaum überzeugend ausgeschöpft wird (Merad wirkt in seiner Nebenrolle regelrecht verschenkt) und sich die Kluft zwischen der humorigen ersten und der ernsten zweiten Hälfte merklich auf den Gesamteindruck niederschlägt. Die wechselhafte Tonalität der tempoarmen Posse darf als Markenzeichen der Boukhermas definiert werden – nur erwächst daraus ungeachtet vielversprechender Ansätze (und gelungener „Weißer Hai“-Hommage samt „Größeres Boot“-Zitat) auch diesmal kein überzeugendes Werk. Hintersinn allein ist einfach nicht genug.
Wertung: (5,5 / 10)