„So many battles waged over the years… and yet, none like this. Are we destined to destroy each other, or can we change each other and unite? Is the future truly set?“ – Voller Fragen: Professor Charles Xavier
Ein bewährtes Thema der Science-Fiction ist die Veränderung der Geschichte durch Zeitreisen. Unter anderem versuchte der Terminator die Geburt des späteren Revolutionsführers durch Auslöschung der Mutter zu verhindern oder fahndete die „Star Trek“-Crew im Amerika der 80er nach Buckelwalen zur künftigen Weltenrettung. Im jüngsten Kinoeinsatz verschlägt es auch die X-Men ins historische Vorgestern. Dabei steht jedoch weniger die Abwendung der Apokalypse im Mittelpunkt, als vielmehr die Sicherung des eigenen Überlebens. Denn die Gegenwart einer unbestimmten Zukunft sieht für die Mutanten um Professor Charles Xavier (Patrick „Captain Picard“ Stewart) düster aus.
Die Welt des erwähnten Terminator lässt grüßen, wenn Roboter in postapokalyptischem Ambiente zur Jagd auf die Sonderlinge mit Superkräften blasen. Weil die Sentinel genannten Kampfmaschinen aber aus Kunststoff gefertigt sind, stößt selbst Magneto („Herr der Ringe“-Zauberer Ian McKellen) an die Grenzen seiner Macht. Darüber hinaus können die Drohnen die Fähigkeiten ihrer Gegner adaptieren, so dass die Lage für die X-Men zunehmend aussichtslos erscheint. Als einziger Ausweg lockt die Reise in die Vergangenheit. Bei der gilt es die junge Mystique („Tribute von Panem“-Star Jennifer Lawrence) davon abzuhalten, ein Attentat auf Wissenschaftler Bolivar Trask („Game of Thrones“-Publikumsliebling Peter Dinklage) zu verüben und der Regierung durch ihre Ergreifung den Schlüssel zur Sentinel-Technik zuzuspielen.
Da der von Kitty Pryde (Ellen Page, „Inception“) zurückgesandte und ins jüngere Selbst transferierte Geist jedoch großen Schaden nehmen könnte, dient sich der unkaputtbare Wolverine (Cool wie eh und je: Hugh Jackman, „The Prestige“) an. Während sich Xavier, Magneto und Storm („Catwoman“ Halle Berry) zwischen Hoffen und Bangen auf den Kampf gegen die Maschinen vorbereiten, begibt sich Wolverine im Jahr 1973 (noch ohne Metallskelett) auf die Suche nach dem jungen Xavier (James McAvoy, „Wanted“). Nur fristet der nach dem ersten Kampf gegen seinen alten Freund Magneto (Michael Fassbender, „Inglourious Basterds“) ein depressives Dasein und wird einzig von Beast (Nicholas Hoult, „Jack and the Giants“) unterstützt. So muss Wolverine ganze Überzeugungsarbeit leisten – auch hinsichtlich der Hilfe vom inhaftierten Magneto. Doch verfolgt der eigene Pläne.
Das „Treffen der Generationen“ gibt sich komplex, bleibt erzählerisch aber eher kryptisch. Den Reiz macht wie schon beim Prequel „Erste Entscheidung“ das gelungene Zeitkolorit aus, das vor dem Hintergrund des ausklingenden Vietnamkrieges gesellschaftliche Umbrüche andeutet und selbstredend nicht an Präsident Richard Nixon vorbeikommt. Für die nötige Würze sorgen Feinheiten wie das Mutantendasein des ermordeten John F. Kennedy oder Mystiques Engagement in Vietnam, um den Aufstand der diskriminierten Mutanten anzukurbeln. Zugespitzt wird der Konflikt durch Dinklages Industriellen Trask, der um Gelder für die Umsetzung seines Roboterprogrammes wirbt. Nachdem die Welt Zeuge der bedrohlichen Kräfte der Mutanten geworden ist, ein denkbar leichtes Unterfangen.
Schauspielerisch fährt Regisseur Bryan Singer, der bereits die ersten beiden „X-Men“-Filme drehte, große Kaliber auf. Als heimliches Highlight empfiehlt sich dabei Nebendarsteller Evan Peters („American Horror Story“), dessen rasend schneller Quicksilver anarchische Lässigkeit versprüht. Die Verbindung der alten und jungen Superhelden-Versionen funktioniert, auch wenn lediglich die Xavier-Mimen Stewart und McAvoy eine gemeinsame Szene bekommen. Am Rande gibt es auch ein Wiedersehen mit Famke „Jean Grey“ Janssen und James „Cyclops“ Marsden. Der beachtliche Produktionsaufwand, der historische Retro-Look und packende Actionintermezzi inklusive in die Luft erhobenem Sportstadion überlagern die (leichten) Schwächen des Plots spielend. Nach dem Herzschlagfinale ist nichts mehr wie zuvor. Für die Macher ist dieser Blankoscheck die ideale Voraussetzung, um das Franchise ohne Rücksicht auf die bisherige Historie fortzuführen.
Wertung: (8 / 10)