Wer früher stirbt, ist länger tot (D 2006)

wer-frueher-stirbt-ist-laenger-tot„Eine unsterbliche Komödie“ – selten passte der Untertitel eines Films besser als bei „Wer früher stirbt, ist länger tot“. Das deutsche Kino lässt sich leicht reduzieren auf eine verkopfte Befindlichkeitsfixierung. Diese trübe Ernsthaftigkeit, die soziale Milieus in Akribie ausleuchtet, fördert zwar den Anspruch, generiert im Gegenzug aber auch Überraschungslosigkeit. Es mag realistisch sein, nur spannend ist es nicht. Da kommt das Langfilmdebüt von Marcus H. Rosenmüller („Schwere Jungs“) gerade recht. Auch ihm geht es um die Glaubhaftigkeit des gesellschaftlichen Hintergrunds und Charaktere, die unmittelbar aus dem Leben geschnitzt zu sein scheinen.

Der entscheidende Unterschied aber, und hier liegt die Besonderheit des bajuwarischem Schwanks, ist die Magie. Wie lange schon ließ der deutsche Film die Fantasie links liegen? Die Rede ist nicht von internationalen Kommerzkinohits nacheifernden Plagiaten um zaubernde Hexenmädchen, sondern von der Magie des Augenblicks, die das Alltägliche zum Speziellen macht. Über diese Aura verfügt Rosenmüller nach belieben. Und er weiß sie derart effektiv einzusetzen, dass seine wunderbar komponierte Tragikomödie nur am Rande Gefahr läuft, auf vereinzelten klamaukigen Unebenheiten ins Schlingern zu geraten.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Der junge Sebastian Schneider (Markus Krojer, „Rettet die Weihnachtsgans“) lebt mit seinem älteren Bruder und dem Vater (Fritz Karl, „Die Zeit, die man Leben nennt“) in einem beschaulichen bayerischen Dorf. Die Mutter ist vor Jahren gestorben, wie Sebastian zu seinem Entsetzen erfährt, während seiner Geburt. Von Schuldgefühlen belastet, versucht er das Leben wieder in die richtige Bahn zu lenken. Den Vater will er verkuppeln und sich selbst gleich noch unsterblich machen, scheinen ihn aufgrund zahlreicher anderer Vergehen doch Jahre im Fegefeuer zu erwarten.

Die im Detail nicht selten morbide Geschichte, in der zu Tode gefahrene Kaninchen mittels Autobatterie reanimiert werden wollen oder die Theorie der sieben Leben einer Katze am Haustier falsifiziert wird, legt bei aller Verschrobenheit Wert auf die Figuren. Mit viel Empathie nähert sich ihnen der Film und zeigt in mosaikartigen Handlungsteilen die Facetten hinter ihrer Erscheinung. Das funktioniert nicht nur aufgrund der sehenswerten Darstellerleistungen, sondern auch wegen der formalen Finesse. Stellvertretend für diese steht das wiederkehrende Schlüsselszenario von Sebastians eingebildetem jüngsten Gericht, das er sich aus verschiedenen Teilen einer realen Laienspielprobe zusammenspinnt. Die Magie wird also auch im deutschen Kino endlich wieder greifbar.

Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

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