Der ehemals beständig polarisierende Vielfilmer Takashi Miike ist zahm geworden. Fiel er früher vorrangig durch gewaltsame und verstörende Werke wie „Audition“ oder „Visitor Q“ auf, bestimmt heute weitgehend konventionelle Kinokost sein Wirken. Zu dieser zählt auch der auf einem Roman von Manga-Künstler Kazuhiro Kiuchi beruhende Thriller „Wara no tate – Die Gejagten“ (internationaler Alternativtitel: „Shield of Straw“), in dem er eine Gruppe aufrechter Polizisten in einen Spießrutenlauf der besonders perfiden Sorte verstrickt.
Denn das hintersinnige Grundgerüst des Plots macht Selbstjustiz zur Volksangelegenheit und lässt die einsamen Ordnungswahrer zu Verteidigern brüchiger Moralvorstellungen werden. Ausschlag gibt Kunihide Kiyomaru (Tatsuya Fujiwara, „Battle Royale“), der mehrere Mädchen missbraucht und brutal ermordet hat. Darunter auch die Nichte des einflussreichen Ninagawa (Tsutomu Yamazaki, „Kagemusha“), der den feigen Killer um jeden Preis tot sehen will. Also setzt er öffentlich ein Kopfgeld von einer Milliarde Yen auf ihn aus und ist gewillt, selbst Mordversuche zu vergüten. Volkes Zorn (und Geldgier) lässt da nicht lange auf sich warten.
Für die Polizisten, die den in Gewahrsam Schutz suchenden Kunihide nach Tokio eskortieren sollen, beginnt ein Wettlauf gegen korrumpierbare Kollegen und aus monetären Interessen zu Attentätern avancierende Normalbürger. Der Reiz dieser in Grundzügen an „16 Blocks“ erinnernden Odyssee resultiert aus der schier unerschütterlichen moralischen Prinzipientreue des leitenden Beamten Kazuki Mekari (Takao Osawa, „Aragami“). Der hätte durch den Verlust seiner Familie durchaus Grund, einen Kriminellen wie Kunihide im Stich zu lassen. Doch mit der alleinerziehenden Kollegin Atsuko Shiraiwa (Nanako Matsushima, „Ring“) setzt er alles daran, die gefahrvolle Mission zu erfüllen.
Das Paradaxon der Geschichte ergibt sich daraus, dass der gewissenlose Kunihide bei einer Verurteilung hingerichtet würde. Im Kombinat mit dem übertriebenen Pflichtbewusstsein Kazukis, das moralische Loyalität nahezu parodiert, wird daraus ein formal etwas glatter und nicht immer plausibler, dafür aber subtil diskursiver und durchaus packender Film. Seine bemerkenswerteste Szene findet dieser, wenn ein Mann ein Kind zu töten droht, wenn man ihm Kunihide nicht ausliefert. Der Polizeifilm wird mit dem Schutz eines offenkundig schuldigen Mörders vor spontankriminellen Bürgern auf den Kopf gestellt. So bleibt Takashi Miikes subversiver Geist spürbar, selbst wenn die noch immer berüchtigten Gewaltentgleisungen komplett ausgespart bleiben.
Wertung: (6,5 / 10)