„Beware of the beast within.“
„Wallace & Gromit: Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen“ ist der Gegenentwurf zum modernen computerbasierten Animationsfilm. Für „Die Techno-Hose“ (1993) und „Unter Schafen“ (1996), zwei der drei Kurzfilme um den exzentrischen Erfinder Wallace und seinen treuen Hund Gromit, wurde deren Schöpfer Nick Park Oscar-geehrt. Die liebenswert verschrobenen Figuren sind Kult, ihre skurrilen Abenteuer weltbekannt. Die künstlerische Finesse an Parks Werken ist die liebevolle Handarbeit, mit der Knetfiguren und -dekors zum Leben erweckt werden. Doch heben sich die Filme auch inhaltlich von der Masse ab. Statt amerikanischen Pomp predigt Nick Park britische Spießeridylle und jongliert innerhalb aufgezeigter Gutbürgerlichkeit mit allerlei Kino- und Gesellschaftsklischees.
Die Geschichten um „Wallace & Gromit“ erfreuen sich generationsübergreifend großer Beliebtheit. Kinder lassen sich von schrulligen Figuren und irrwitzigen Handlungsabläufen begeistern, Erwachsene von pointierten Spitzfindigkeiten und intelligenter Zitierfreude. Mit „Chicken Run“ (2000) probten die Macher erfolgreich den Sprung auf Spielfilmlänge, mit „Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen“ führen sie ihn zu endgültiger Perfektion. Dabei trifft der Originaltitel „The Curse of the Were-Rabbit“ den Tenor des Trickfilmspaßes weit besser als es sein deutsches Pendant vermag. Immerhin steht diesmal die Übersetzung klassischer Gruselstoffe in die Plastilinwelt der unerschrockenen Helden im Vordergrund.
In ihrem beschaulichen Heimatörtchen verdingen sich Wallace und Gromit als Schädlingsbekämpfer, was den Schutz der nachbarschaftlichen Gemüsegärten vor marodierenden Kaninchenhorden bedeutet. Als die Gemeinde von Übergriffen eines mutierten Riesenmümmlers erschüttert wird, ist es an Wallace und Gromit die nahende Gemüseschau vor der Absage zu bewahren. Doch birgt die Identität der verfluchten Seele einige Überraschungen. Daneben erlangen auch zwischenmenschliche Problemstellungen zunehmende Bedeutung, wenn Wallace mit dem schnöden Victor um die Gunst von Lady Tottington – im englischen mit den Stimmen von Ralph Fiennes („Harry Potter und der Feuerkelch“) und Helena Bonham Carter („Corpse Bride“) – buhlt.
Mit Augenzwinkern grast das kongeniale Andeutungsschema zahlreiche Klassiker des Gruselfilms ab, was Hommagen an „King Kong“, „Der weiße Hai“ oder „Der Hund von Baskerville“ beflügelt. Neben Zwerchfellattacken auf die Kirche gibt es den obligat britischen Seitenhieb auf den Zweiten Weltkrieg. Hier sind es Gromit und Victors vierbeiniger Begleiter, die sich als Pilot der Krone und Roter Baron eine umwerfend komische Luftschlacht über England liefern. „Wallace & Gromit: Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen“ ist ein grandioses Knetgummivergnügen für Jung und Alt, ein irrwitziges Abenteuer ohne konstruierten Niedlichkeitsfaktor. Und eine derartige Eigenständigkeit sucht man in den Reihen der US-Animationserfolge zumeist vergebens.
Wertung: (9 / 10)