Die filmische Umsetzung von Musiker-Biografien ist derzeit in Hollywood ein gern gesehenes Thema. Zudem ist den Machern bei den hiesigen Oscar-Verleihungen ein Platz im Kreis der Nominierten quasi sicher. Auch „Walk the Line“ – der das Leben der Country-Legende Johnny Cash darstellt – war im Rennen für fünf Goldjungen, doch ein solcher ging lediglich an Reese Witherspoon als beste Hauptdarstellerin. James Mangold („Identität“) nahm sich des dankbaren Stoffes des am 12.09.2003 verstorbenen Musikers an und zeigt in ähnlicher Art und Weise, wie es Taylor Hackford mit „Ray“ getan hatte, Höhen und Tiefen einer Legende.
Es soll ein Comeback der Extraklasse werden, welches sich der schnell zu Ruhm gekommene – aber diesen dann durch eigene Schuld verspielte – Johnny Cash (Joaquin Phoenix) ausgedacht hat. Im Folsom State Prison wartet er auf seinen Auftritt vor hunderten von Gefangenen, als ihn seine Vergangenheit einholt. Dies ist der Beginn von „Walk the Line“, der mit dem Gang auf die Bühne des Gefängnisses etwa 140 Minuten später endet. Jahrzehnte früher: Der junge Johnny Cash verliert durch einen tragischen Unfall seinen älteren Bruder Jack, was ihm durch seinen jähzornigen Vater (Robert Patrick) angelastet wird. Von seiner schweren Kindheit gebeutelt, geht Cash zum Militär und kommt dort erstmals mit Musik in Berührung. Wieder zu Hause, heiratet er seine Freundin Viviane (Ginnifer Goodwin). Nach einigen Startschwierigkeiten treffen Cashs ehrliche Texte den Nerv der Zeit. Er wird zum Superstar, sein Tablettenkonsum allerdings steigt mit zunehmendem Erfolg und auf seinen langen Touren lernt er June Carter (Reese Witherspoon) kennen, in die er sich verliebt.
Über das Leben von Johnny Cash hätte man wohl mehr als zwei Filme drehen können, Regisseur James Mangold muss sich für seine Adaption aber auf eine Länge von weniger als zweieinhalb Stunden beschränken. Dass in solch einem Fall einiges auf der Strecke bleibt, ist nur logisch. Die einzelnen Abschnitte im Leben des Johnny Cash wirken mitunter zwar etwas abgehackt und bemüht integriert (siehe Militärzeit und die musikalischen Anfänge), geben aber auf der anderen Seite auch einen – wenn auch meist kurzen – Überblick über die Anfänge des Musikers, nachdem dieser sein Elternhaus verließ. Für die wichtigeren Stellen lässt sich Mangold mehr Zeit. So wird deutlich, dass sich der Absturz des Musikers über Jahre zog und bereits seine erste Begegnung mit June Carter für ihn regelrecht historischen Charakter hatte.
Einige Biografische Löcher vermag „Walk the Line“ aber dennoch zu stopfen, was vornehmlich an seinen Darstellern liegt. Joaquin Phoenix („Gladiator“) weiß zwar nicht derart zu überzeugen, wie es Jamie Foxx in „Ray“ tat, doch seine Performance verdient durchweg Respekt. Phoenix meistert die unterschiedlichen Epochen im Leben Cashs, sei es der Erfolg, vielmehr aber noch seinen fast gebrochenen Charakter, verursacht durch das schlechte Verhältnis zu seinem Vater, dem frühen Tod seines Bruders, Drogensucht und der unerfüllten Liebe zu June Carter. Diese wiederum wird von Reese Witherspoon („Pleasantville“) verkörpert, die für ihre leidenschaftliche Darstellung zu Recht einen Oscar erhielt und mit diesem Film endgültig zum Superstar wurde. Vom typischen Blondchen-Image, welches der Darstellerin immer wieder angedichtet wurde, darf man sich getrost verabschieden. Von den Nebendarstellern sticht vor allem der fast vergessene Robert Patrick („Terminator 2″) hervor, der – deutlich beleibter – den missgünstigen Vater von Cash überzeugend mimt und so durchaus öfter in Erscheinung treten darf.
Die zahlreichen Songs wurden von den Darstellern Phoenix / Witherspoon selbst gesungen, was beiden außerordentlich gut gelang. Vor allem ihre zahlreichen gemeinsamen Auftritte gehören zum Besten, was „Walk the Line“ zu bieten hat. Das bspw. die Entstehung DES Cash Hits „Ring of Fire“ auf June Carter zurückgeht, sei nur am Rande erwähnt. „Walk the Line“ ist großes Kino, superb gespielt und bewegend inszeniert. Eines Johnny Cash ohne Frage würdig.
Wertung: (8 / 10)