Robert Greenwald ist Politaktivist und Dokumentarfilmer. Das allein verbindet ihn mit Landsmann Michael Moore („Bowling for Columbine“), der seine filmischen Pamphlets ähnlich tendenziös, wenn auch mit mehr Ironie auskleidet. Diese nonchalant charmante Art des Nestbeschmutzens ist verzeihlich, weil die Kreuzritter des kleinen Mannes in der Regel gegen die Unantastbaren aus Wirtschaft, Politik und Medien zu Felde ziehen. In seinem jüngsten Film nimmt sich Greenwald, dessen bekanntestes Werk „Outfoxed“ Medienmogul Rupert Murdoch auf den Zahn fühlt, den Einzelhandelsriesen Wal-Mart zur Brust. Die dabei aufgedeckten Machenschaften stempeln die USA, das vermeintlich freieste Land der Welt, zum Freiraum ökonomischer Barbarei.
„Wal-Mart – Der hohe Preis der Niedrigpreise“ zieht seine Betrachtung von der Mikro- auf die Makroebene. Gemäß Micha X. Peleds „Store Wars: When Wal-Mart Comes to Town“ ruht der Fokus zu Beginn auf dem Schicksal kleinstädtischer Familienbetriebe. Die Eröffnung eines Wal-Marts, so der erste Standpunkt des Films, ist Gift für die Seele der meist ländlichen Gemeinden. Der Großkonzern raubt der lokalen Konkurrenz die Kundschaft, die Folgen sind seriale Bankrotterklärungen und Verödung der Innenstädte. Für die Betroffenen ist das ein schwerer Schlag, aus Sicht der freien Marktwirtschaft aber nicht weniger als geltendes Recht. Der Versuch der Entrüstung des Zuschauers durch Emotionalisierung gelingt Robert Greenwald nicht. Erst beim Blick hinter die Kulissen des Unternehmens ist ihm die Empörung sicher.
Über konzerninterne Ausbeutungsstrategien und bewusst unterbesetzte Filialen schweift der Blick auf die rigorose Verhinderung gewerkschaftlicher Bestrebungen. Mit totalitärer Gefühlskälte werden Angestellte diskriminiert und unter Zwängen an das Unternehmen gebunden. Besonders sauer stößt die horrende Krankenversicherung des Unternehmens auf, die ob ihrer Unbezahlbarkeit für die meisten Mitarbeiter die Angewiesenheit auf Unterstützung des Staates bedeutet. Greenwalds Liste der Anschuldigungen ist lang, zumeist belegt durch Interviews mit ehemaligen Angestellten und ausgeschmückt mit Archivbildern und Statistiken, an deren Zahlenspielereien sich der Unmut des einzelnen festkrallen kann.
„Wal-Mart – Der hohe Preis der Niedrigpreise“ ist ein zwar einseitiger, obgleich brisanter Dokumentarfilm. Man mag im Schatten von Globalisierung und zwanghafter Gewinnmaximierung nicht jeden Kritikpunkt deckungsgleich auf seine eigenen Meinungsbilder übertragen können. Aber vielleicht hilft es beim nächsten Einkauf, den Grund für die billigen Preise eines Unternehmens erahnen zu können. Für Diskussionsstoff hat Robert Greenwald zweifelsohne gesorgt.
Wertung: (7 / 10)