Victorian Halls – Charlatan (2011, Victory Records)

Kreischig hohe Stimme trifft dissonantes Melodie-Geschwurbel. Wehe dem, der bei VICTORIAN HALLS nicht unweigerlich an die BLOOD BROTHERS erinnert wird. Aber es ist nicht alles geklaut auf „Charlatan“, einer ausgewachsenen, nur eben nicht immer ausgewogenen Explosion der Klangfarben und Stilmittel. Die junge Band aus Chicago kam (natürlich) bei Victory Records unter, wo sich beständig (angedichtete) Repräsentanten einer Jugendkultur tummeln, die entweder für Begeisterung oder entsetztes Kopfschütteln sorgen. Erschöpfte sich das Resultat meist in Ablehnung, fällt der Zuspruch diesmal nicht unbedingt schwer.

Allerdings will das offenkundige kreative Darlehen bei den BLOOD BROTHERS erst einmal überwunden werden. Während die erwähnten Ideengeber den Post-Hardcore aber über den Rummelplatz spazieren führten, verschlägt es VICTORIAN HALLS in die Dance-Pop-Disco. Dazu gibt es Elektro-Beats, griffig im Kitsch ertränkte Melodien und Refrains, die den Mainstream in schierer Aufdringlichkeit mit Zuckerguss überziehen. Der Opener „Girls Kiss Girls“, „Glass Depth Mood“ oder auch „A Crush is a Crush“ entwickeln dabei ein Ohwurmpotenzial, dem man sich nur schwer entziehen kann.

Dies überraschende Niveau kann der Vierer aber nicht durchweg halten, so dass die Scheibe zwischen inspiriert und geklaut, eigenwillig verspielt und maßlos anbiedernd schwankt. Letztlich darf der kalkulierten Neugier auf klangliche Experimente aber mehr Bedeutung beigemessen werden als den Vergleichen zu einer inspirierteren und letztlich auch besseren Kapelle. Wenn man es denn zulässt, überwiegt das pure Vergnügen. Und vor allem das ist bei Victory-Releases der jüngeren Vergangenheit nur äußerst selten zu attestieren gewesen.

Wertung: 6.5 out of 10 stars (6,5 / 10)

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