Die „Millennium“-Reihe machte den schwedischen Autoren Stieg Larsson berühmt. Den internationalen Erfolg seiner Werke erlebte der Journalist jedoch nicht. 2004 starb er im Alter von 50 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts. Seine Romane wurden postum veröffentlicht, zu drei weiteren Buchfortsetzungen fanden sich später Exposés. Allerdings ist Larssons Familie an einer Fertigstellung durch andere Schriftsteller nicht gelegen. Mit dem Segen der Hinterbliebenen führte David Lagercrantz den „Millennium“-Kosmos mit „Verschwörung“ (2015) und „Verfolgung“ (2017) dennoch literarisch fort. Die Verfilmung des Erstgenannten ist nach der schwedischen Kino-Trilogie (2009) und David Finchers US-Version von „Verblendung“ (2011) bereits die vierte Adaption eines Kapitels der Saga für die große Leinwand – und zugleich die mit Abstand schwächste.
Das liegt nicht an Hauptdarstellerin Claire Foy („The Crown“), die den ikonischen Charakter der eigenwilligen Hackerin Lisbeth Salander durchaus nuanciert erweitert, und ebenso wenig an Regisseur Fede Alvarez („Don’t Breathe“), der seinen visuell Stil auch diesmal zwingend einbringt. Den gewichtigsten Schwachpunkt bildet das Skript, an dem neben Alvarez u. a. „Peaky Blinders“-Schöpfer Steven Knight beteiligt war. Bereits der Vorspann weckt zwangsläufig Erinnerungen an die „James Bond“-Serie. Diese Assoziation manifestiert sich in der Ausgestaltung Lisbeths, die als rebellische Computerspezialistin zur Powerfrau mit Eigenschaften stilisiert wird, die jeden Geheimagenten vor Neid erblassen lassen dürften. Das erscheint nicht allein haltlos übertrieben, sondern gemessen an Larssons initialer Figurierung der traumatisierten Anti-Heldin auch hochgradig wesensfremd.
Von Software-Entwickler Frans Balder (Stephen Merchant, „Logan“) wird Lisbeth angeheuert, ein von ihm kreiertes Computerprogramm zu stehlen, mit dem sich die Kontrolle über die weltweiten Abschussvorrichtungen von Nuklearraketen erlangen lässt. Der Hack gelingt, bringt neben dem geschwind nach Schweden reisenden NSA-Agenten Edwin Needham (LaKeith Stanfield, „Get Out“) aber auch ein Verbrechernetzwerk auf den Plan, das Lisbeth überrumpelt und die Software stiehlt. Mehr noch wird ihr der Mord an Balder angehängt, dessen Sohn August (Christopher Convery, „Gotham“) der Schlüssel zur Inbetriebnahme des Programms ist. Lisbeth erbittet die Hilfe ihres alten Gefährten Mikael Blomkvist (Sverrir Gudnason, „Borg vs. McEnroe“), muss bald jedoch erkennen, dass ihre eigene Schwester Camille (Sylvia Hoeks, „Blade Runner 2049“) in die Sache verstrickt ist.
Durch Foys überraschend actionbetonte One-Woman-Show wird den übrigen Protagonisten kein Raum zur plastischen Entfaltung gewährt. Das schließt auch Lisbeths Ex-Liebhaber Mikael Blomkvist ein, der regelrecht an den Rand der Geschichte gedrängt wird. Nach der Maßgabe Hollywoods ist „Verschwörung“ durchaus spannend konstruiert, nur werden Wohl und Wehe der Hauptfigur viel zu häufig von Zufällen abhängig gemacht. Mehr noch bleibt die Hacker-Szene, einmal mehr von Lisbeths Helfer Plague (Cameron Britton, „Mindhunter“) gestützt, der Annahme unterworfen, dass sich die Welt – oder zumindest die Technik von Fahrzeugen und Gebäuden – auf Knopfdruck nach Belieben beherrschen lässt. Gänzlich gescheitert ist der mit Mikael Persbrandt („King Arthur“) und Volker Bruch („Babylon Berlin“) bis in Kleinstrollen ansehnlich bestückte Verschwörungs-Thriller sicher nicht. Nur kommt dem Erbe Stieg Larssons mit dieser Ergänzung seines Werks jede Bodenhaftung abhanden.
Wertung: (5,5 / 10)