Schwedische Fernsehkrimis sind meist so kühl wie der hohe Norden selbst. Die Ermittler sind akribisch verbissen, innerlich oft zerrüttet, und die ihnen anvertrauten Fälle machen nur selten den Einsatz der Schusswaffe erforderlich. Im Gegensatz zu standardisierter amerikanischer TV-Kost ist der Ton unspektakulär und die visuelle Aufbereitung geradezu altmodisch geradlinig. In dieses Bild fügt sich auch die Serie „Verdict Revised – Unschuldig verurteilt“, die einen eigenbrötlerischen Jura-Dozenten mit einer Gruppe Studenten gerichtlich abgeurteilten Fällen nachgehen lässt, deren Auskommen Zweifel an der justizialen Beantwortung der Schuldfrage nähren.
Getragen wird die Reihe von jenem Mentor Markus Haglund (herrlich schnoddrig: Mikael Persbrandt, „Kommissar Beck – Die neuen Fälle“), der den Bildungsauftrag nur widerwillig annimmt, um seinen lukrativen Posten an der Universität nicht zu verlieren. Denn Haglund ist ein ebenso zynischer wie selbstmitleidiger Trinker, der bevorzugt eine bescheidene Auswahl an T-Shirts amerikanischer Rock- und Punk-Größen zur Schau trägt, den ungeliebten Fakultätsleiter bloßstellt oder sich in flüchtige Sexabenteuer verstrickt. Einst war er ein Staranwalt. Bis ein von ihm erwirkter Freispruch ein grausames Verbrechen nach sich zog.
Inspiriert wirken Figur und Darstellung vom US-Anti-Helden „Dr. House“, was die von Johann Zollitsch konzipierte Serie entgegen üblicher Schweden-Krimis mehr ins Fahrwasser moderner Unterhaltung aus Übersee rückt. Aber die Darstellung des charismatischen Persbrandt genügt als Stützpfeiler des in verschiedenen losen Nebenhandlungen vage aufeinander aufbauenden erzählerischen Überbaus. Haglunds drei Studenten, zu denen am Ende der ersten Episode Ex-Polizist Roger (Leonard Terfelt) hinzu stößt, bleiben dagegen trotz solider bis sehenswerter Darstellerleistungen blass.
Das gilt vor allem für Anna (Helena af Sandeberg), die mit dem Kommilitonen Belal (Francisco Sobrado) anbandelt, die Schwere ihrer familiären Vorgeschichte aber ohne Rücksicht auf die Folgen in Alkohol ertränkt. Die flüchtig abgehandelten Hintergründe der eifrig Nachforschungen anstellenden Studenten sollen den Figuren Profil geben. In der Summe mit mäßigem Erfolg. Vor allem die Rolle Rogers, der Fia (Sofia Ledarp) während der Entlastung ihres Vaters eine Stütze ist und zum Staffelfinale unter Verdacht gerät, Annas Vater mit einer Schere niedergestochen zu haben, verdeutlicht die Diffusität der grob umrissenen Figuren.
Aber nicht nur die Charaktere, auch die Anfechtungen der Urteile sorgen nicht durchweg für fesselnde Unterhaltung. Vor allem die ersten Folgen werden denkbar schlicht und ohne Cleverness aufgelöst. Im Laufe der 12 routiniert inszenierten 45-minütigen Episoden aber werden die Fälle ambivalenter und laufen nicht zwangsläufig auf eine vorgezeichnete Lösung hinaus. Diese nötige Abwechslung hält die Spannung aufrecht. Allerdings bleibt „Verdict Revised“ vorrangig wegen Persbrandts darstellerischer Leistung sehenswert. Geboten wird also grundsolide Krimi-Unterhaltung mit bissigem Witz, einigen Höhepunkten und starker Hauptfigur.
Zum Fernsehklassiker reicht es aufgrund der offenkundigen Schwächen aber nicht. Fans schwedischer Genre-Kost dürfen aber bedenkenlos zugreifen. Gerade für die wären bei der in Kooperation mit zdf neo veröffentlichten DVD-Box der ersten Staffel aber Untertitel zum Originalton durchaus nützlich gewesen!
Wertung: (6,5 / 10)