Nachdem sich Stieg Larssons „Millennium“-Trilogie über Monate in den Bestsellerlisten behauptet hatte, war eine Verfilmung schnell beschlossene Sache. Der 2004 verstorbene Journalist und Schriftsteller erlangte durch die posthume Veröffentlichung seiner Romane internationale Berühmtheit. Doch noch bevor sich Hollywood die Rechte sichern konnte, reagierte Schwedens Filmindustrie und brachte die Produktion mit deutschen und dänischen Geldern selbst auf den Weg. Das Ergebnis mag nicht alle Kenner der Vorlage zufrieden stellen. Ein hervorragender Thriller ist der erste Akt „Verblendung“ dennoch geworden.
Man mag dem Stoff eine gewisse erzählerische Dankbarkeit attestieren, die, bedingt durch Larssons plastische Schreibe, leicht vom Papier auf die Leinwand zu bringen scheint. Doch sollte nicht die Sorgfalt vergessen werden, mit der das Team um Regisseur Niels Arden Oplev („Der Traum“) Drehorte und Besetzung wählte. Vor allem die Schauspieler werden ihren literarischen Vorreitern verblüffend leicht gerecht und tragen den Film auch ohne große Namen. Der haftet lediglich dem Urheber an, dessen Buch Nikolaj Arcel und Rasmus Heisterberg („Insel der verlorenen Seelen“) in ein gelungenes Skript adaptierten.
Natürlich kann der Film nicht die tiefen charakterlichen Einblicke Larssons abbilden und schrumpft die verzweigte Geschichte auf die Essenz des Krimi-Plots zusammen. Der Aspekt korrupter Wirtschaftszweige dient als Rahmen, wenn der investigative Journalist Mikael Blomkvist (Michael Nyqvist) als Opfer einer Intrige zu einer Haftstrafe verurteilt wird. Bevor er diese jedoch antritt, engagiert ihn der Industrielle Henrik Vanger (Sven-Bertil Taube), um seine vor Jahrzehnten verschollene Nichte aufzuspüren. Die beschenkte den Onkel zu jedem Geburtstag mit einer gepressten Blume hinter Glas. Diese Tradition brach auch nach ihrem Verschwinden nicht ab.
„Verblendung“ handelt von Hass. Von quälendem und von befreiendem. Den zehrenden, den destruktiven drückt bereits der Originaltitel aus, der übersetzt „Männer, die Frauen hassen“ bedeutet. Seinen Ursprung hat er in der Nazizeit, in der autoritären Gesellschaft eines totalitären Systems. Ihm gegenüber steht ein reinigender Gegenpol, der von der begnadeten jungen Hackerin Lisbeth Salander (Noomi Rapace) ausgefüllt wird. In ihren Tattoos, Piercings und Punk-Klamotten drückt sich ein Hass auf Konventionen und Konformität aus. Sie ist die ewige Rebellin, psychisch vorbelastet und mit einem sie misshandelnden und vergewaltigenden Vormund gestraft.
Stärker als im Buch drängt Lisbeth, die der reduzierten Hauptfigur Mikael Blomkvist bald aktiv bei der Spurensuche zur Seite steht, in den Mittelpunkt. Auf einer kleinen Insel, bewohnt von den zerstrittenen Resten der Unternehmerdynastie Vanger, stoßen sie auf eine grausame Mordserie, deren Täter nur dem familiären Umfeld entstammen kann. Diese komplexe Zuspitzung, die das Grauen hinter der bürgerlichen Fassade entlarvt, inszeniert Oplev als kühl bebilderten, atmosphärisch düsteren und in Lisbeths Missbrauch/Gegenwehr schonungslos harten Thriller, der Larssons „Verblendung“ ohne Hast auf zweieinhalb hervorragende Stunden nordischer Spannungserzeugung komprimiert.
Wertung: (8 / 10)