Heißes Pflaster Bergen. Die zweitgrößte Stadt Norwegens zählt rund 300.000 Einwohner, verfügt über einen der meistfrequentierten Seehäfen Europas und lockt Naturfreunde mit anmutigen Fjord-Panoramen. Doch natürlich hat auch dieser nur auf den ersten Blick beschauliche Ballungsraum seine Schattenseiten. Mit ihnen ist kaum einer so vertraut wie Privatschnüffler Varg Veum (Trond Espen Seim, „The Thing“). Der verbannte Wolf, so die sinngemäße Übersetzung seines Namens, ist ein ehemaliger Sozialarbeiter, der sich der Verbrechensbekämpfung verschrieben hat und bei der Lösung seiner Fälle gern die Grenzen des gesetzlich Erlaubten überschreitet.
Staffel 2 der auf die Romane von Gunnar Staalesen zurückgehenden Filmreihe (die erste wurde „Der Wolf“ betitelt) konfrontiert ihn wiederholt mit der eigenen Vergangenheit. Die Auftaktepisode („Zeichen an der Wand“) etwa bringt den mittlerweile als Lehrer tätigen Detektiv mit dem entlassenen Häftling Kniven (Nikolaj Lie Kaas, „Erbarmen“) zusammen. Der wurde durch eine Aussage Veums nicht allein wegen Mordes hinter Gitter gebracht, sondern von ihm auch aus dem Fenster geworfen. Kniven will Rache und beseitigt nach und nach jene, die für seine Verurteilung verantwortlich sind. Veum jedoch fällt eine besondere Bedeutung zu: Er soll die Unschuld Knivens beweisen und damit den Tod eines Mädchens verhindern. Nicht nur dieser Fall lässt im Detail eine gewisse Glaubwürdigkeit vermissen. Trotzdem ist „Varg Veum“ eine überaus sehenswerte Reihe.
Das liegt neben dem knurrigen Hauptcharakter vor allem an abgründigen Milieus und düsteren Geschichten. Veum wird nicht von der Polizei beauftragt – auch wenn der ihm in Hassliebe verbundene Chefermittler Jacob Hamre (Bjørn Floberg, „Kitchen Stories“) beständig widerwillige Unterstützung leistet –, sondern agiert auf eigene Faust. Dass er dabei häufig jede Vorsicht vergisst und sich ohne Rücksicht auf die eigene Unversehrtheit mit jedem noch so gefährlichen Verbrecher anlegt, wirkt allein deshalb nicht überlebensgroß, weil die Unvernunft des verlotterten Antihelden oft genug in Prügel mündet. Für Freundin Karin Bjørge (die frühere „Aqua“-Sängerin Lene Nystrøm), selbst Sozialarbeiterin, keine leichte Situation.
Im weiteren Verlauf fahndet Veum nach Karins verschwundener Schwester, die sich als Prostituierte verdingt und ihn letztlich auf die scheinbare Wiederauferstehung eines Toten aufmerksam macht („Schwarze Schafe“). Als ein früher von Veum betreuter Jugendlicher den Mord an seinen Pflegeeltern gesteht, ist nur er von dessen Unschuld überzeugt und stößt bei seinen Ermittlungen auf organisierten Drogenschmuggel („Gefährten des Todes“). Die Explosion in einer Waffenfabrik weist einen Freund Veums als Terroristen aus. Seine Nachforschungen deuten nicht allein auf finstere Geschäftspraktiken des Rüstungskonzerns hin, sondern bringen ihn in Budapest selbst in Lebensgefahr („Geschäft mit dem Tod“).
Durch den Tod einer Asylantin gerät Veum auf die Spur brutaler Menschenhändler („Den Tod vor Augen“), ehe die (von Hauptdarsteller Trond Espen Seim selbst inszenierte und co-verfasste) Suche nach einer verschwundenen Prostituierten für ihn zur persönlichen Sache wird, weil ein skrupelloser Drogendealer die hochschwangere Karin bedroht („Kalte Herzen“). Die sechs Folgen in Spielfilmlänge bieten in sich abgeschlossene Kriminalfälle (mit auffälligen Toyota-Produktplatzierungen), bei denen Varg Veums Spurensuche nur selten von Actionszenen begleitet wird. Doch wenn es knallt (vorrangig bei „Geschäft mit dem Tod“), steht die formale Qualität klassischer Kinounterhaltung in nichts nach. Kein Wunder also, dass die sechs Episoden in Norwegen auf großer Leinwand gezeigt wurden. Freunde abgründiger Krimi-Kost kommen hier voll auf ihre Kosten.
Wertung: (7,5 / 10)