This is England (GB 2006)

this-is-englandSkinhead ist nicht gleich Skinhead. Heute oft fälschlicherweise mit der Neonaziszene gleichgesetzt, hat die Jugendsubkultur der Glatzköpfe ihren Ursprung im Londoner Arbeitermilieu der ausgehenden Sechziger. Erst in den mittleren Siebzigern begann die Rechte, unterstützt von nationalen englischen Parteien, die politisch gemischte Szene zu vereinnahmen. Durch die Adaption des Looks breiteten sich die Naziskins aus und erreichten in den frühen Neunzehnachtzigern neben der britischen Provinz auch andere Länder. In eben dieser Phase siedelt Shane Meadows („Dead Man’s Shoes“) seine brillante Milieustudie „This is England“ an.

Erzählt wird das packende Drama aus Sicht des zwölfjährigen Shaun (Thomas Turgoose, „Eden Lake“). Der lebt allein mit Mutter Cynthia (Jo Hartley, „Northern Soul“) in einer tristen englischen Küstenstadt. Sein Vater fiel in den Falklandkriegen, der Alltag gestaltet sich trostlos. Freunde hat er keine, in der Schule wird er gehänselt. Bis er Woody (Joseph Gilgun, „Emmerdale Farm“) und seine Kumpels kennen lernt. Die sind Skinheads ohne politische Bindung, rebellische Jugendliche, die sich mit Alkohol, Reggae und Herumlungern die Zeit vertreiben. Ungeachtet seines Alters findet Shaun Anschluss. Bald darauf sind die Haare ab, sitzen die Stiefel und spannen die Hosenträger.

Der historische Rahmen passt in Setting und Ausstattung perfekt. Bereits im Vorspann, wo sich die Ära Thatcher über eine Collage – von Kriegsbildern bis zur Traumhochzeit von Charles und Diana – zum Reflektor nationaler Befindlichkeit verdichtet. Meadows geht es nicht um den moralischen Fingerzeig, sondern das glaubhafte Portrait des Jugendzeitgeistes. Dessen Klima ändert sich schlagartig, als Combo (Stephen Graham, „Gangs of New York“), ein alter Weggefährte Woodys, aus dem Gefängnis entlassen wird. Mit fremdenfeindlichen Hetzparolen wird die Clique gespalten. Der leicht zu beeinflussende Shaun stellt sich hinter Combo – und muss die Wahrheit seiner Ideologie auf schmerzhaftem Wege erfahren.

Es braucht nicht die große Tragödie, um „This is England“ ins Gedächtnis zu meißeln. Die Verblendung kocht auf kleiner Flamme, Gewalt und Fremdenhass gehen auf hausgemachte Probleme zurück. Chancenungleichheit und Enttäuschung führen bei Combo zum Kurzschluss. Autor und Regisseur Meadows lässt eine Wertung außen vor. Die Handlungen sprechen für sich. Aus ihnen heraus wird die nicht selten humorvoll erzählte Geschichte grundlegend, jedoch nicht im Detail zu Ende gesponnen. Das erhöht die Glaubwürdigkeit und macht den durch die Bank famos gespielten Film zu einem Meisterwerk von zeitloser Aktualität.

Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

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