„You can breathe. You can blink. You can cry. Hell, they’re all gonna be doing that.“ – Sardonisch: Negan
Die Welt von „The Walking Dead“ wird größer. Die Überlebendenkommune Alexandria, in der Ex-Polizist Rick (Andrew Lincoln) und Gefährten eine neue Heimat gefunden haben, ist nur eine von mehreren in der Region. Das müssen Rick und Darryl (Norman Reedus) erkennen, als sie auf einem Erkundungstrip auf den gerissenen Jesus (Tom Payne, „Der Medicus“) treffen. Er ist Teil der Hillside-Gemeinschaft, die vom wenig kooperativen Gregory (Xander Berkeley, „The Mentalist“) angeführt wird und über reichhaltige Versorgungsquellen verfügt. Um die eigene Lebensmittelknappheit zu überwinden, bietet Rick die Kampferfahrung seiner Gruppe an, um den erpresserischen Despoten Negan auszuschalten. Wohin das führt, sollte selbst Zuschauern klar sein, die der Comic-Vorlage von Produzent Robert Kirkman unkundig sind.
Der explosive Auftakt schert sich zunächst wenig um den Cliffhanger der vorangegangenen Halbstaffel und bringt Darryl, Abraham (Michael Cudlitz) und Sasha (Sonequa Martin-Green) mit motorisierten Wegelagerern in Konflikt, die den Namen Negan am Rande bereits prophetisch fallen lassen. Erst als Körper und Motorräder fachgerecht in Einzelteilen auf dem Asphalt verteilt sind, folgt der Blick ins von Zombies überrannte Alexandria. Der Versuch von Rick, Jessie (Alexandra Breckenridge) und einigen anderen, gedärmbesudelt durch die wankende Horde zu gelangen, ohne die Aufmerksamkeit der lebenden Toten zu erregen, ist der gezeichneten Vorlage entsprechend nur bedingt von Erfolg gekrönt. Als Konsequenz gibt es neuerlich Verluste zu beklagen, was der bei entscheidenden Episoden wiederum als Regisseur auftretende Effektspezialist Gregory Nicotero („Hostel“), der neben Gale Anne Hurd („The Punisher“) auch als Produzent auftritt, bitter-gewaltvoll vor Augen führt.
Die Auftaktfolge besteht fast vollständig aus Gemetzel. Hier verliert Ricks Sohn Carl (Chandler Riggs) ein Auge, dort bemüht sich Glenn (Steven Yeun) verzweifelt, seine schwangere Frau Maggie (Lauren Cohan) zu retten. Selbst der bislang arg zurückhaltende Priester Gabriel (Seth Gilliam) zeigt mehr und mehr seine wehrhafte Seite. Ein Augenblick der Ruhe kehrt erst ein, als die Untoten mit vereinten Kräften zurückgedrängt wurden. Dabei wird zunehmend klar, dass die Zombies nur mehr Beiwerk der Post-Apokalypse sind. Im Zentrum steht der auf bewährten Motiven George A. Romeros fußende Kampf Mensch gegen Mensch. Denn in einer Welt, in der einzig das Recht des Stärkeren zählt, wird Mitgefühl zum schwer zu rechtfertigenden Luxus. Ricks Entwicklung über die vergangenen Staffeln macht das überdeutlich. Um seine Familie und Freunde zu schützen, ist ihm mittlerweile jedes Mittel recht.
Als moralisches Gegengewicht fungiert der geläuterte Stockkämpfer Morgan (Lennie James), der jedes Leben als kostbar erachtet. Allerdings steht er mit dieser Ansicht relativ isoliert da. Das Nebeneinander von Momenten der Ruhe, die Raum zur weiterführenden Skizzierung der Protagonisten bieten, und den obligatorischen Splatter-Einschüben funktioniert einmal mehr rundheraus überzeugend. Mehr als in der Vergangenheit spielen dabei amouröse Gefühle eine Rolle: Rick und Schwertschwingerin Michonne (Danai Gurira) kommen sich näher, Abraham bricht mit Rosita (Christian Serratos), um Sasha seine Gefühle zu offenbaren und Carol (Melissa McBride) schmiedet Pläne, die Gruppe zu verlassen. Dabei dürfte insbesondere ihr Überlebens- und Kampfeswille mittelfristig bedeutsamer werden denn je.
Aus dem sich verdichtenden Konflikt mit Negans Survivors (u.a. Rus Blackwell, „Banshee“) schöpfen die Macher jedoch die intensivsten Momente. Die Erstürmung einer Radarstation im Stile klassischer Meuchelmörder degradiert Rick & Co. zu Söldnern. Wie sehr gerade er die Situation unterschätzt, zeigt sich an den Folgen des Angriffs. Denn Negans Getreue sind zahlenmäßig beträchtlich und offenbaren ihre Stärke, als Rick und Verbündete die Bekanntschaft mit Negan und dessen mit Stacheldraht umwickeltem Baseball-Schläger Lucille machen. Die Besetzung Negans mit Jeffrey Dean Morgan („Supernatural“) ist ein weiterer Coup, der die Anhängerschaft in Staunen versetzt. Seine Einführung zum Finale ist schlicht umwerfend und seine Überlegenheit wird durch Ricks blankes Entsetzen entscheidend potenziert. Der Schlusspunkt, ein besonders boshafter Cliffhanger, dürfte eingefleischte Fans auf die Barrikaden treiben. Aber die Welt von „The Walking Dead“ wird größer – und mit ihr auch die eingeforderte Geduld auf den Grundstein des aufziehenden Krieges.
Wertung: (8,5 / 10)