„The only thing that keeps you from being a monster is killing.“ – Beweist einmal mehr Wehrhaftigkeit: Carol
Am Ende der fünften Staffel von „The Walking Dead“ verlor die sichere Zuflucht Alexandria ihre Unschuld. Seinen Beitrag dazu leistete Rick (Andrew Lincoln), der zu dem wurde, was er nie sein wollte: ein Abbild seines längst verstorbenen Freundes Shane. Das Buhlen um eine Frau, die zweifache Mutter Jessie (Alexandra Breckenridge), ließ Rick am Ende zum Mörder werden. Zugegeben, als ganz so simpel entpuppte sich der Sachverhalt nicht. Aber ein wenig ironisch darf die Wandlung des tatkräftigen Ex-Sheriffs durchaus betrachtet werden. Zum Lachen allerdings verleitet das beinharte Endzeit-Drama nicht. Und wenn, bleibt es ein kathartisches Lachen, weil einem der zahllosen bemerkenswert maskierten Untoten mal wieder auf groteske – und gewohntermaßen zeigefreudig blutige – Weise der Garaus gemacht wurde.
Die Zombie-Soap ist und bleibt ein Quotenrenner. Das Produktionsteam um Gale Anne Hurd („The Abyss“), Effekt-Spezi Gregory Nicotero („Wishmaster“) und Robert Kirkman, einer der Schöpfer der Comic-Vorlage, hält das Niveau konstant hoch. Das bedeutet immer wieder Phasen der Erholung und Episoden, die das Tempo merklich zurückfahren. Das gefällt nicht jedem, schließlich sind Nervenkitzel und der obligatorische Splatter-Anteil für manche Publikumskreise deutlich reizvoller. Aber die Serie funktioniert gerade aufgrund der punktierten Fokussierung auf die Entwicklung der Charaktere so herausragend. In Hälfte eins der sechsten Auflage des zusehends unerbittlichen Überlebenskampfes schleichen sich trotzdem Längen ein. Gemessen am furiosen Start scheint das jedoch mehr als verzeihlich.
Die Ankunft der Bewohner Alexandrias in der apokalyptischen Realität vollzog sich schmerzhaft. Dass der Prozess längst nicht abgeschlossen ist, veranschaulicht die Entdeckung eines nahen Steinbruchs. Der, versperrt durch mehrere schwere Lastwagen, bildet ein zufälliges Auffangbecken für tausende Zombies. Die werden vom Geräuschpegel ihrer Artgenossen angelockt und landen nach kurzer Rutschpartie am Hang im abgeschotteten Gedränge. So lässt sich leicht ermessen, warum es in Alexandria bislang kaum Begegnungen mit den wandelnden Toten gab. Doch das wird sich ändern. Denn einer der Lkw droht abzurutschen und den untoten Horden den Weg freizugeben. Neben der Entdeckung der Zombiearmee zeigt die von Nicotero inszenierte Auftaktepisode in schwarz-weißen Rückblenden die Auswirkungen von Ricks jüngster Entgleisung.
Der einst besonnene, mittlerweile aber vollends auf rigorosen Selbsterhalt geeichte Anführer (Internet-Spitzname: Ricktator), hat mit der Exekution von Jessies Gatten Angst genährt. Der hatte zuvor den Mann von Ortsvorsteherin Deanna (Tovah Feldshuh) ermordet und damit auch sie auf Ricks harten Kurs eingeschworen. Dem steht als moralisches Korrektiv der zur Gruppe gestoßene Morgan (Lennie James) gegenüber. Der Mann, der Rick in der Pilotfolge einst Obdach bot, hat dem Töten abgeschworen und erachtet jedes Leben als kostbar. Konflikte, neben der resoluten Michonne (Danai Gurira) vor allem mit Carol (Melissa McBride), sind da zwangsläufig vorprogrammiert. Morgans Wandlung vom in sich gekehrten Wahnsinnigen zum Frieden predigenden Stockschwinger erörtert eine separate Episode, die den Fluss der Ereignisse kalkuliert unterbricht.
Der von Rick formulierte Plan, die Wiedergänger aus dem Steinbruch über eine festgelegte Route fortzulocken, geht auf. Zumindest, bis Alexandria von einer Gruppe jener Mörder heimgesucht wird, die durch ein in die Stirn geritztes „W“ charakterisiert werden. Für Carol ist damit die Zeit gekommen, die Hausmutterfassade einstürzen zu lassen und sich in Rambo-Manier wieder voll in den Kampf zu werfen. Der Lärm des Erstürmungsversuches lässt einen Teil der Zombies jedoch ausscheren. Die damit verbundenen Konsequenzen kosten nicht allein Menschenleben, sondern lassen die als Lockvögel eingesetzten Darryl (Norman Reedus), Sasha (Sonequa Martin-Green) und Abraham (Michael Cudlitz) ahnungslos auf der Straße zurück. Ein deutlich ärgeres Schicksal droht indes dem versprengten Glenn (Steven Yeun), der trotz Schwangerschaft seiner geliebten Maggie (Lauren Cohan) keine Gefahr scheut und dafür einen hohen Preis zahlt.
In der Betrachtung von Darryl, der auf Überlebende trifft, die erstmals die lang erwartete Beteiligung des großen Bösewichts Negan ankündigen, erreicht die Halbstaffel ihren zähen Tiefpunkt. Das Setting des verkohlten Waldes hat zweifelsfrei seinen Reiz, erzählerisch aber tritt dieser Part merklich auf der Stelle. Überhaupt scheinen wertvolle Lektionen einzelner Figuren im Vordergrund zu stehen. An den Nerven zerrt die diesmal u.a. von David Lynchs Tochter Jennifer („Unter Kontrolle“) gedrehte Fortsetzung aber insbesondere durch die am Ende krass zugespitzte Situation in Alexandria. Dort wird der Zuschauer mit dem fiesen Cliffhanger allein gelassen. Zumindest für den Augenblick erhält die Gefahr durch die lebenden Toten damit wieder eine größere Bedeutung. Nicht die stärkste Phase der Reihe und doch unverzichtbarer Wegbereiter kommender Entwicklungen.
Wertung: (7,5 / 10)