„In this life now, you kill or you die. Or you die and you kill.“ – Ein Mann fragwürdiger Moral: Der Governor
Wer hätte gedacht, dass sich eine Drama-Serie über Leben und Leiden von Überlebenden der „Zombiekalypse“ zum erfolgreichsten Format im US-Bezahlfernsehen mausern könnte? Vor allem, da die bisweilen doch recht verhalten erzählte zweite Staffel von „The Walking Dead“ auch die im Vorfeld gemeinschaftlich verzückte Kritikergemeinde zu ersten Unmutsbekundungen verleitete. Aber die Erweiterung der ursprünglichen sechs Episoden auf 12, so hätte es eigentlich klar sein dürfen, würde automatisch verstärkt Momente des Innehaltens mit sich bringen. Schließlich sucht die Gruppe um Ex-Polizist Rick Grimes (Andrew Lincoln) beständig nach einem Zufluchtsort, der die Horden fleischfressender lebender Toter dauerhaft aussperrt.
Staffel drei umfasst bereits 16 Folgen, was ein neuerliches Auf und Ab von Emotionen, Zuspitzungen und Eskalationen inklusive Tempoverschleppungen bedeutet. Horror und Drama, Splatter und Zwischenmenschliches gehen hier von Grund auf zusammen. Aber die Zeiten haben sich geändert – und ebenso die Menschen. Auch der stets um moralische Aufrichtigkeit bemühte Rick, der am Ende von Season zwei seinen besten Freund Shane tötete und sich nachhaltig als der Anführer aufspielte, den bis dahin längst jeder in ihm sah. Nur das Mitbestimmungsrecht sprach er den übrigen Leidensgenossen ab. Am Leben hielt er sie trotzdem, über einen kargen Winter, der als Brücke zu neuen Handlungssträngen führt.
Monate sind vergangen, in denen die Gruppe ohne festen Lebensraum umherstreifte. Aber mit der nahenden Entbindung von Ricks schwangerer Frau Lori (Sarah Wayne Callies) steigt auch die Dringlichkeit nach einem sicheren Unterschlupf. Der findet sich schließlich in jenem in der Schlusseinstellung der Vorgängerstaffel eingeblendeten Gefängnis, das neben Scharen von Untoten auch ein paar (ahnungslose) Gefangene bereit hält. Aber die sind nur Mittel zum Zweck. Denn als wesentlichste neue Hauptfigur wird der Governor (David Morrissey, „Red Riding“) eingeführt, der die unweit gelegene Gemeinde Woodbury leitet. Dorthin verschlägt es auch die versprengte Andrea (Laurie Holden), die nach der Flucht von der von Zombies überrannten Farm auf eine mysteriöse Frau mit Samurai-Schwert traf.
Die, namentlich Michonne (Danai Gurira, „Ein Sommer in New York“), wird zu ihrer Gefährtin – und tragende Figur mit erstmals grundlegender Comichaftigkeit. Sie findet sich, ganz im Gegensatz zu Andrea, in Woodbury nicht zurecht. Der von allen nahezu vergötterte Governor, der die befestigte Kleinstadt mit seiner Einwohnerschaft nach außen gerecht und umsichtig führt, weckt ihren Argwohn. Mit Recht, denn hinter der gütigen Fassade lauert ein manipulativer Psychopath. So verlässt Michonne den vermeintlich sicheren Hafen und schließt sich bald Ricks Gruppe an, während Andrea sich auf eine Liebschaft mit dem Governor einlässt und letztlich einen hohen Preis dafür zahlt, ein Blutvergießen zwischen den Menschengruppen zu verhindern.
Bevor Rick aber mit dem benachbarten Unmenschen konfrontiert wird, müssen er und Leidensgenossen beim Bezug der neuen Behausung Verluste beklagen. Vor allem Rick wird aus der Bahn geworfen und sieht neben den lebenden Toten fortan Geister. Eine Stütze ist ihm der besonnene Hershel (Scott Wilson), der ohne selbige allerdings auch nicht auskommt: Nach einem Biss schlägt ihm Rick kurzerhand ein Bein ab, um eine Infektion mit dem von Zombies übertragenen Virus zu vermeiden. Aber selbst mit Krücken ist der einstige Veterinär wichtiges Bindeglied zwischen den Protagonisten, was besonders für Tochter Maggie (Lauren Cohan) und ihren Geliebten Glenn (Steven Yeun) gilt.
Besonderes Augenmerk fällt dem in der Gemeinschaft längst integrierten Redneck Daryl (Norman Reedus) zu, dessen totgeglaubter Bruder Merle (Michael Rooker) – mit modischer Messerprothese am Arm – in Diensten des Governor steht. Von mittlerweile fast beiläufigen Gewalt- und Splatter-Einlagen gesäumt, entspinnt sich ein famos geschriebener und wiederum stark gespielter Mix aus moralischem Diskurs und nacktem Überlebenswillen. Verschnaufpausen gibt es nur wenige, dafür nervenzerrende Spannung und glaubhafte Charaktere in einer zunehmend entmenschlichten Dimension steten Terrors. Für diese Entwicklung steht vor allem Ricks Teenager-Sohn Carl (Chandler Riggs), der Verantwortung übernimmt, ethischen Prinzipien aber mehr und mehr entsagt.
Von der Comicvorlage entfernt sich „The Walking Dead“ in Staffel drei zwar bisweilen deutlich – aber auch Fans der Graphic Novels werden mit viel Wohlwollen die steigende Eigenständigkeit dieser großartigen Reihe zur Kenntnis nehmen. Dass es hinter den Kulissen seit dem erzwungenen Ausstieg von Triebfeder Frank Darabont brodelt, ist kein Geheimnis und scheinbar nach jeder Season wird der Produktionsverantwortliche ausgetauscht. Solange die Qualität aber derart beständig ist oder sich – wie im vorliegenden Falle – noch zu steigern vermag, braucht man sich um ein vorzeitiges Ende dieses bluttriefenden endzeitlichen Dramas jedoch keine Sorgen machen.
Wertung: (9 / 10)