„There’s us and the dead. We survive this by pulling together, not apart.“ – Rick
Die Zeiten ändern sich. Nicht nur für Kleinstadt-Sheriff Rick Grimes (Andrew Lincoln, „Afterlife“), der nach einer Schussverletzung ins Koma fällt und die Welt, als er Wochen später erwacht, im Chaos vorfindet. Auch das Zombie-Genre, einst Schreckgespenst eines jeden Sittenwächters, erfährt einen Wandel. Wie der Splatter selbst hat es längst Einzug in den Mainstream gehalten und ist als gesellschaftsreflexives Schreckensszenario Teil der Alltagskultur geworden. George A. Romeros Klassiker „Dawn of the Dead“ prägte, mehr noch als sein Vorgänger „Night of the Living Dead“, das Bild der postmodernen Apokalypse, in der sich die Toten erheben und die Lebenden fressen.
Mit „The Walking Dead“ erobern die Zombies nun auch den Bildschirm. Die auf Robert Kirkmans gleichnamiger Graphic Novel basierende TV-Reihe wurde von Filmemacher Frank Darabont initiiert, der insbesondere durch die Stephen King-Verfilmungen „Die Verurteilten“ und „Der Nebel“ Bekanntheit erlangte. Er plante zunächst eine sechsteilige Mini-Serie, eine Art Testballon, um die Tauglichkeit als Fortsetzungsgeschichte zu erproben. Dass das Thema auf der Mattscheibe funktioniert, bewies bereits das britische Format „Dead Set“, in dem die Untoten im Setting der Reality Show „Big Brother“ verortet wurden. Dem Geiste der Comic-Vorlage entsprechend berufen sich Darabont und die übrigen Macher, darunter Erfolgsproduzentin Gale Anne Hurd („Terminator“, „Aliens“), allerdings mehr auf die Vorgaben Romeros.
„They might not seem like much one at a time, but in a group all riled up and hungry, man you watch your ass.“ – Morgan
Als Rick aus dem Koma erwacht, findet er das Krankenhaus verwüstet vor. Davor liegen hunderte Leichen, in Betttücher gehüllt, von Fliegen umschwärmt. Unweigerlich werden Erinnerungen an Katastrophen wie die auf Haiti wach. Der Schrecken der Bilder findet, wie so häufig im modernen Horror, seine Grundlage (und damit auch seine Rechtfertigung) in der Wirklichkeit. Die Zombies und das durch sie übertragene Virus, das jeden Infizierten selbst in ein kannibalisches Monster verwandelt, sind lediglich die übernatürlichen Boten. Sein Haus findet Rick verlassen vor. Die Zeichen aber deuten darauf hin, dass Frau Lori (Sarah Wayne Callies, „Prison Break“) und Sohn Carl (Chandler Riggs) die Flucht gelungen ist. Von den entweder „Walkers“ oder „Geeks“ genannten Untoten erfährt er erst von Morgan (Lennie James, „Jericho“), der sich mit seinem Sohn in einem Nachbarhaus verschanzt hat.
Nachdem er wieder zu Kräften gekommen ist und gelernt hat, dass die meist schleichenden Wiedergänger allein durch die Zerstörung des Gehirns zu vernichten sind, begibt sich Rick in der schneidigen Polizeiuniform auf die Suche nach seiner Familie. Die Reise führt ihn nach Atlanta, wo er erst von Zombiehorden attackiert und schließlich vom jungen Koreaner Glenn (Steven Yeun) gerettet wird. Er schließt sich einer Gruppe Überlebender an, die in der Stadt Vorräte beschaffen wollten. Sie sind Teil einer Zweckgemeinschaft, die in den Bergen außerhalb der Stadt vorläufige Zuflucht gefunden hat. Neben Ricks Familie findet sich dort auch sein Freund und Polizeipartner Shane (Jon Bernthal, „World Trade Center“), mit dem sich Lori auf eine Affäre eingelassen hat.
„We don’t kill the living!“ – Rick
Trotz einiger Freiheiten orientiert sich „The Walking Dead“ eng an der gezeichneten Vorlage. Dafür trägt auch Kirkman Sorge, der die Serie als Produzent und Autor begleitete. Entwickler Darabont hingegen, der die einstündige Pilotfolge selbst inszenierte, gibt die Richtung vor. Die erweist sich als erstaunlich explizit, unterwirft die teils heftige Gewalt aber nie einem vordergründigen Selbstzweck. Die sehenswerten Masken und Make Ups gehen in Teilen auf die KNB-Group zurück, dessen Mitbegründer Gregory Nicotero auch als beratender Produzent fungierte. Gemeinsam stemmen die populären Genre-Fachkräfte eine der aufregendsten TV-Serien der jüngeren Vergangenheit und stehen modernen Abhandlungen des Zombie-Themas, beispielsweise dem gelungenen Remake von Romeros „Dawn of the Dead“, in nichts nach.
Obwohl im Sujet des Horrors verortet, wird der Stoff nicht auf flüchtige Schockmomente reduziert. Darabont legt den Grundstein für ein Charakterdrama, bei dem die Bewahrung der Menschlichkeit in einer Zeit der Barbarei in den Mittelpunkt gerät. Die Figuren – allen voran das von Michael Rooker („Cliffhanger“) und Norman Reedus („Der blutige Pfad Gottes“) gespielte Redneck-Brüderpaar – mögen bisweilen gängigen Klischees entsprechen. Trotzdem gelingt es den Autoren immer wieder zu überraschen und die Protagonisten glaubhaft weiterzuentwickeln. Am Ende der sechsten Episode, wenn Wissenschaftler Jenner (Noah Emmerich, „Little Children“) die Verbreitung der Epidemie (wohlgemerkt nicht ihren Ursprung) erklären und eine gewaltige Explosion den schweißtreibenden Schlusspunkt setzen darf, bleibt die Zukunft von Rick und seinen dezimierten Begleitern unklarer denn je. Fest jedoch steht, dass es nach dem überraschenden Quotenerfolg mit „The Walking Dead“ weitergehen wird. Und das ist verdammt gut so!
Wertung: (8 / 10)