Die gegenseitige kreative Befruchtung von Filmnationen half ungeachtet kultureller Unterschiede, das Kino zu entwickeln. Festmachen lässt sich dies etwa am Wirken von Akira Kurosawa, dessen Klassiker „Die sieben Samurai“ (1954) und „Yojimbo“ (1961) die bedeutenden Western „Die glorreichen Sieben“ (1960) und „Für eine Handvoll Dollar“ (1964) beflügelte. Dass es auch andersherum funktioniert, veranschaulicht „The Unforgiven“, das japanische Remake des Oscar-prämierten Western-Abgesangs „Erbarmungslos“, mit dem Clint Eastwood das darbende Genre 1992 zu neuen Höhen führte.
Lee Sang-ils („Villain“) angenehm eigenwillige Neuinterpretation holt zunächst historisch aus, wenn mit dem Ausklang der Edo-Epoche im 19. Jahrhundert auch das Ende der Samurai besiegelt wurde. Die Krieger des alten Shogunats wurden von der neuen Regierung unerbittlich verfolgt. Einer der Gejagten ist der ehemalige Elitekämpfer Jubei Kamata (spielte unter Eastwoods Regie in „Letters From Iwo Jima“: Ken Watanabe), der seine Häscher im Schnee jedoch überwältigen kann. Jahre später führt er mit seinen Kindern ein karges Dasein als Farmer. Der verstorbenen Frau hatte er versprochen, dem lasterhaften und von Gewalt geprägten Leben abzuschwören. Doch das allein genügt nicht, um die Familie durchzubringen.
Eine Chance bietet sich, als Jubei vom alten Kameraden Kingo Baba (Akira Emoto, „Shin Godzilla“) aufgespürt wird. Der will die 1.000 Yen Kopfgeld einstreichen, die eine Gruppe Prostituierte auf zwei Siedler ausgesetzt hat, die in der Provinz Hokkaido eine der ihren verstümmelt haben. Entgegen des Rachedurstes der Frauen hat der herrische Ortsvorsteher Ishizo Oishi (großartig: Kōichi Satō, „Inugami“) die Täter lediglich zur Reparationszahlung von je drei Pferden verdonnert. Also buddelt Jubei das einst vergrabene Schwert aus und folgt Kingo auf die Reise. Unterwegs stößt der junge Heißsporn Goro Sawada (Yūya Yagira, „Nobody Knows“) zu ihnen, der wie Jubeis Frau zur indigenen Volksgruppe der Ainu zählt.
Während der Besiedlung der Nordregionen Japans wurde diese unterdrückt, da ihre Riten und Lebensweisen als zu rückständig erachtet wurden. Gerade in diesen beiläufigen Aspekten verstärkt Regisseur und Autor Lee Sang-il das Drama. Und die Zeitenwende, die insbesondere dadurch Ausdruck erhält, dass das Schwert durch die Feuerwaffe abgelöst wird. Der veränderte kulturelle Kontext, der mehr noch als bei Eastwood von Ehre und dem niederen Status der Frauen kündet, sorgt für zusätzliches Gewicht und überflügelt Eastwoods Vision momentweise sogar. Trotzdem bleibt die Neuverfilmung werkgetreu und übernimmt viele Szenen nahezu unverändert.
Das zeigt sich etwa am Auftauchen des eitlen Samurai Masaharu Kitaoji (Jun Kunimura, „Outrage“) in Oishis Grenzgebietskommune. Im Beisein von dessen Chronisten Himeji (Ken’ichi Takito, „Rurouni Kenshin“) statuiert der sardonische Ortsvorsteher ein Exempel an ihm, um etwaige Kopfgeldjäger abzuschrecken. Entsprechend unwirsch wird auch der durch Krankheit geschwächte Jubei empfangen. Vom eigentlichen Ziel lenkt das aber nicht ab und mündet mit dem Schicksal Kingos in einen üppig angelegten Showdown, bei dem Jubei seinem Status als berüchtigter Schlächter noch einmal eindrücklich gerecht wird. Mehr noch ändert Lee Sang-il den Ausklang und entlässt neben Goro insbesondere Jubei in eine Zukunft, die von Eastwoods Original deutlich abweicht. Auch damit lösen sich die Macher von der Vorlage und schaffen eine ebenbürtige Neuerzählung, die neben den großartigen Darstellern von imposanten Breitwandbildern und schwermütiger Streichermusik getragen wird. Ein großes Stück Nachbaukino!
Wertung: (8 / 10)