Obacht, es wird gefühlig. Denn THE TOTEN CRACKHUREN IM KOFFERRAUM – oder in Kurzform: THE TCHIK – holen auf ihrer vierten Platte, „Gefühle“, zum punktiert vulgären Rundumschlag aus. Mit einer Überportion Weichzeichner und Kitsch sollte demnach nicht gerechnet werden. Mehr schon mit unterschwelliger Wut und der Verkehrung platter Geschlechterklischees („Bau mir nen Schrank“). Doch halt, ihre verletzliche Seite offenbaren die vier Berlinerinnen auch („Du könntest gehn“). Ein Widerspruch ist das mitnichten.
Als Erklärung für den Elektro-Sound des Quartetts dient zum Abschluss „Punkrock hat mir mein Herz gebrochen“ (mit Gastauftritten von HANS-A-PLAST-Frontfrau Annette Benjamin und TERRORGRUPPE-Sänger Archie Alert), das abseits biographischer Töne das Dilemma der Domäne alternder Männer touchiert. Das Asi-Image wird selbstredend auch gepflegt, etwa beim rotzigen Einstand „Alles verkacken“ oder den Folgesongs „Zurück in der Gosse“ und „Living the Dream“. An Hitpotential mangelt es kaum. Am besten ist die Scheibe aber immer dann, wenn die Botschaft im Mittelpunkt steht. So wie bei „Bewerte mich“, das die Tinderisieriung zwischenmenschlicher Interaktion mit „Danke, dass du dir trotzdem die Zeit nimmst und mir sagst, ob ich fickbar bin“ subsummiert.
Im Herzen ist auch „Gefühle“ noch Punk. Musikalisch hingegen braucht es dafür Fantasie. Der Kofferraum der toten Crackhuren bleit eben von Synthie- und Elektro-Pop erfüllt; mit teils pumpenden Beats und Vocals, die mal sanft gesungen und mal trotzig herausgespien werden. Der Ansatz ist auf Polarisation ausgelegt – und dürfte auch diesmal manchen Hörer in seiner antiquiert patriarchalischen Männlichkeit kränken. Doch ist es genau diese Wirkweise, die eine Band wie THE TCHIK so relevant macht. Denn laute Frauen, egal ob in Elektro oder Punk, kann es gar nicht genug geben.
Wertung: (7,5 / 10)