Der Monsterfilm hat Tradition. Eine zumeist unrühmliche, die des abstrusen. Der Stallgeruch des Trash klebt an ihm, meist durch billige Machart oder unverständliche Ernsthaftigkeit begünstigt. Aber es gibt Ausnahmen, wahre Glücksfälle. Solche wie „Tremors – Im Land der Raketenwürmer“ (1990). In ihrer Seltenheit treten sie ein-, vielleicht zweimal pro Jahrzehnt in Erscheinung. Jetzt ist es wieder soweit.
Der südkoreanische Vertreter „The Host“ entsendet ein computeranimiertes Ungetüm von schleimiger Scheußlichkeit auf die Bewohner Seouls. Schuld an seiner Existenz hat der Westen. Zumindest die Rücksichtslosigkeit des Einzelnen. Ein Angehöriger des amerikanischen Militärs (Scott Wilson) lässt eine stattliche Menge veraltetes Formaldehyd in den Ausguss und damit den Fluss Han kippen. Jedoch ist es nicht die Anprangerung westlicher Ignoranz, sondern die Wahrheit. Die Grundidee des Films geht auf reelle Begebenheiten zurück. Hinzugefügt wurde lediglich das Monster. Aber vom verseuchten Gewässer ist es bekanntermaßen ein denkbar kurzer Schritt zur nächsten Menschen fressenden Mutation.
Diese, eine vielschwänzige Winzigkeit zwischen Kaulquappe und Fisch, wird erst von zwei Anglern bemerkt. Der im strömenden Regen auf einer Brücke stehende Selbstmörder macht bereits einen gewaltigen Schemen unter der Wasseroberfläche aus. Den Lebensmüden aber hält das nicht vom Sprung in die Tiefe ab. Ein Genrewerk wie „The Host“ jedoch braucht seine Helden. Oder besser, denn es geht schließlich um einen bemerkenswerten Vertreter seiner Zunft, die Antihelden. Solche wie der schusselige Imbissbudenbetreiber Gang-du (Song Kang-ho, „Sympathy for Mr. Vengeance“), der am Ufer des Han Bier und gerösteten Tintenfisch verkauft.
Einen langen Vorlauf gestattet sich Regisseur Bong Joon-Ho („Memories of Murder“) nicht. Es wurde kaum die ganze Familie des trägen Verkäufers vorgestellt, da baumelt die Kreatur auch schon von einer nahe gelegenen Brücke. Die Passanten sind erstaunt, was schnell in panisches Entsetzen umschlägt, als das Biest den Landgang wagt und über die Schaulustigen herfällt. Dabei verschlingt es auch Gang-dus Tochter Hyun-seo (Ko Ah-sung). Rasch übernimmt das Militär die Kontrolle, soll das Geschöpf doch obendrein Träger eines tödlichen Virus sein. Wer mit ihm Kontakt hatte, wird festgenommen und interniert.
Während der trauernde Vater allerlei Tests über sich ergehen lassen muss, erreicht ihn des Nachts ein Anruf. Hyun-seo meldet sich verängstigt und gibt ihren Aufenthaltsort als Teil eines Abwasserkanals an. Weil aber weder Ärzte, noch Sicherheitskräfte seiner Geschichte glauben schenken, entzieht sich Gang-du mit Vater Hie-bong (Byeon Hie-bong, „Crying Fist“) und den Geschwistern, dem versoffenen Universitätsabsolventen Nam-il (Park Hae-il, „Scent of Love“) und der Sportbogenschützin Nam-Joo (Bae Du-na, „Tube“), der Quarantäne und macht sich, als vom Virus verseuchter Staatsfeind deklariert, auf die Suche nach seinem Kind.
Der selbstironische Gruselschocker verfügt über beste Voraussetzungen: schräge Typen, Witz und Blut. Aber „The Host“ ist mehr als die x-te Variante des Öko-Horrors. Der Film verlässt bald den Pfad vorhersehbarer Wiederkäuung und zeichnet ein fast intimes, wenn auch weiterhin von Humor überschattetes, Familienportrait. Der zunehmend zerfahrener präsentierten Handlung nimmt das zwar die Überschaubarkeit. Aber Bong will den konventionellen Stoff, ganz im Stile der südkoreanischen Verweigerung von Hollywoods Spartentrennung, unkonventionell erzählen. Die hervorragenden Darsteller stehen ihm dabei trefflich zur Seite.
Was formal (Tier-)Horror ist, erweist sich im Kern als pures Melodram. Der verzweifelte Vater auf der fast aussichtslosen Suche nach der Höhle des Löwen. Darunter der mit politischer Kritik nicht geizende Subtext. Die Ohnmacht der Staatsgewalt, die den Flusslauf absperrt, im Gegenzug aber kaum Bestrebungen zeigt, dem Schrecken Einhalt zu gebieten. Dazu die Amerikaner, die das Stadtgebiet gleich mit der chemischen Keule, großspurig „Agent Yellow“ benannt, platt machen wollen. Nein, was die Macher dem Publikum hier auftischen entzieht sich mit Konsequenz der Spezifizierung des Überschaubaren. Mal grotesk, mal tragisch, auf seine Weise aber immer ergreifend. Es ist dieser eigenwillige Charme, der „The Host“ zum erfolgreichsten Film in der Geschichte des südkoreanischen Kinos machte.
Wertung: (8 / 10)