In „The Dark Knight Rises“ inszeniert Christopher Nolan Comic-Held Batman buchstäblich als gebrochenen Mann. Seelisch war der dunkle Ritter bereits in den beiden Vorgängerfilmen ein Wrack. Aber im Abschluss von Nolans Trilogie nimmt auch die Versehrtheit des Körpers massiv zu. Seinen Gegnern ist das vigilante Alter Ego von Millionär Bruce Wayne damit nicht länger überlegen. Trotzdem wird der bisweilen an klassische griechische Tragödien gemahnende Film wohl weniger aufgrund der Lebensmüdigkeit – oder schärfer formuliert der Todessehnsucht – des Rächers im schwarzen Fledermauskostüm im Gedächtnis bleiben, sondern vor allem durch den Amoklauf in Aurora.
Am 20. Juli, bei einer Vorpremiere in der US-Kleinstadt im Bundesstaat Colorado, erschoss James Holmes 12 Menschen. Natürlich wurde anschließend medial diskutiert, ob die schreckliche Bluttat im Zusammenhang mit dem jüngsten Batman-Abenteuer stehen könnte. Losgelöst von solch ohnehin wenig zielführenden Spekulationen sollte, nein darf sie aber nicht Einfluss auf die Freiheiten der Filmemacher nehmen. Denn Nolans für sich bestehende Saga ist kein archetypischer Blockbuster-Kintopp, sondern unterschwellig unbequemes und anbei auch leicht sperriges Action-Drama, das sich zwar oberflächlich, aber doch mit überraschender Deutlichkeit gesellschaftlicher Probleme (u.a. Finanzkrise, Korruption, Bürgeraufstand) annimmt.
Die Geschichte ist acht Jahre nach den Ereignissen von „The Dark Knight“ angesiedelt. Nach dem Tod von Gotham Citys moralischem Hoffnungsträger Harvey Dent, der sich als entstellter Bösewicht Two Face gegen die eigenen Erneuerungspläne stellte, hing Wayne, wieder verkörpert von Christian Bale („The Prestige“), den Umhang an den Nagel und zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Aus seiner Lethargie reißt ihn erst die dreiste „Katzendiebin“ Selina (Anne Hathaway, „Brokeback Mountain“). Sie raubt ihm neben einer wertvollen Halskette auch die Fingerabdrücke, mit denen ein Schurkensyndikat um den hünenhaften Bane (Tom Hardy, „Bronson“) seinen Bankrott bewirken wird.
Mit Hilfe eines revolutionären Generators, den Wayne für Idealistin Miranda (Marion Cotillard, „Contagion“) bauen ließ, will der Superverbrecher Gotham vernichten. Bane, der durch eine die Stimme grotesk verzerrende Atemmaske schmerzunempfindlich ist, will damit den von Ra’s Al Ghul (mit Kurzauftritt in Erinnerungsfetzen: Liam Neeson, „The Grey“) in „Batman Begins“ eingeleiteten Plan des Harmonie und Gleichgewicht verheißenden Chaos umsetzen. Von seinem Vertrauten Fox (Morgan Freeman, „Million Dollar Baby“) wird Wayne – sehr zum Unmut seines Butlers und väterlichen Freundes Alfred (Michael Caine, „Children of Men“) – wieder mit nützlichem Equipment versorgt und nimmt den Kampf auf.
Aber der ist ein denkbar ungleicher in einem Film, der sich vor dem Batman zuerst mit dem zerrissenen Menschen Bruce Wayne beschäftigt. Von Effektfeuerwerk keine Spur. Statt High-Tech-Action serviert Nolan archaisch wirkende Faustkämpfe und beklemmend apokalyptische Optik. Das Stimmungsbild ist fast nihilistisch, wenn Bane den an Manhattan erinnernden Teil Gothams isoliert und in Anlehnung an Carpenters „Escape From New York“ (und die Occupy-Bewegung) unter Bombendrohung zur Rechtsfreien Zone ausruft. Aber Verzweiflung und Hoffnung liegen in dieser wiederum ungewohnt realistisch inszenierten Comicverfilmung näher beieinander als eingangs suggeriert.
So ist es vor allem am von Commissioner Gordon (Gary Oldman, „Dame, König, As, Spion“) in seinen Vertrauenskreis berufenen Jungpolizisten Blake (Joseph Gordon-Levitt, „Inception“) zu beweisen, dass wahre Helden keine Maske tragen müssen. In der langsam entfalteten, im Mittelteil gar recht langatmigen Ausbreitung von Untergang (Gotham) und Selbstfindung (Wayne) gehen die Nebenprotagonisten weitgehend unter. Miranda erhält erst spät Bedeutung und „Catwoman“ Selina gewinnt vorhersehbar Vertrauen in die Welt zurück. Dennoch ist Nolan mit „The Dark Knight Rises“ ein würdiger, für eventuelle Fortführungen durchaus offener Abschluss seiner Batman-Vision gelungen. Das Meisterstück von „The Dark Knight“ konnte er dabei allerdings nicht wiederholen.
Wertung: (7,5 / 10)