Das amerikanische Spielerparadies Las Vegas diente schon häufig als Hintergrund für filmische Stoffe. Beleuchtete „Leaving Las Vegas“ die marode Schattenwelt hinter Glanz und Glamour, förderte „Fear and Loathing in Las Vegas“ absurde geistige Abgründe zu Tage. Der romantische Thriller „The Cooler“ von „Mindhunters“-Autor Wayne Kramer hingegen animiert eher zu entfernten Vergleichen mit Paul Thomas Andersons vielschichtigem Debütfilm „Last Exit Reno“. Denn auch dort kreisen in einem Abgesang auf das alte Las Vegas gesellschaftliche Randfiguren um ein tragisches Epizentrum. Mit dem gewichtigen Unterschied, dass Wayne Kramer seine Figuren mit einer Aura märchenhaftem Positivismus umgibt.
Bernie Lootz (William H. Macy, „Fargo“) ist ein Loser durch und durch. Und doch schlägt der notorische Pechvogel Kapital aus seinem Schicksal, indem er als „Cooler“ für den traditionsbewussten Casinochef Shelly Kaplow (Alec Baldwin, „Glengarry Glen Ross“) im Shangri-La arbeitet. Seine Aufgabe ist es, findigen Glücksspielern durch seine bloße Anwesenheit Pech zu bringen. Denn Bernie hat das Verlieren nicht nur für sich gepachtet, es scheint auch auf andere Menschen abzustrahlen.
Das ändert sich jedoch, als die gestrandete Bedienung Nathalie Belisario (Maria Bello, „Auto Focus“) in sein Leben tritt. Die schroffe Schönheit gibt sich erst physisch der konturlosen Persönlichkeit des „Cooler“ hin und verliebt sich schließlich in ihn. Sehr zu Shellys Unwill wirkt sich die plötzliche Gemütsänderung des wertvollen Unglücksbringers negativ auf dessen Fähigkeiten aus. Mit dem Ergebnis, dass Bernie seiner Umgebung fortan Glück beschert.
Darüber hinaus sitzt dem altmodischen Gangster Shelly der abgebrühte Investmentberater Larry Sokolov (Ron Livingston, „Band of Brothers“) im Nacken. Dieser will das Shangri-La entgegen der Auffassung seines Betreibers in einen neumodischen Unterhaltungstempel mit allen Schikanen verwandeln. Um weder sein traditionelles Lebenswerk, noch seine Gewinngarantie zu verlieren, holt Shelly schließlich zum radikalen Gegenschlag aus. Mit fatalen Folgen für alle Beteiligten.
Mit der formidablen Besetzung hat Regisseur Wayne Kramer wahrhaftig den Hauptgewinn gezogen. William H. Macy brilliert als strahlender Antiheld mit sonderbaren Superkräften, Maria Bello begeistert als desillusionierte „Lady Luck“ und Alec Baldwin tritt einmal mehr den Beweis an, dass er in prägnanten Nebenrollen zu absoluter Höchstform aufläuft. Selbst wesentliche Randcharaktere sind mit Paul Sorvino („GoodFellas“), Shawn Hatosy („The Faculty“) als Bernies missratenem Filius und Estella Warren („Planet der Affen“) als dessen White-Trash-Freundin geradezu üppig bestückt.
„The Cooler“ ist ein lakonischer Blick hinter die Fassade des Glückspielmekkas Las Vegas am Scheideweg zwischen Tradition und Ausschlachtung. Gleichzeitig ist der tragikomische Romantik-Thriller eine melancholische Ode an die Kraft der Liebe. In meist unspektakulären Bildern und gediegener Erzählweise schafft Wayne Kramer einen wunderbaren Ensemblefilm voller Kraft, Ehrlichkeit und Poesie. Trotz marginalen Vorhersehbarkeiten und beizeiten allzu märchenhafter Übertreibung ist sein Kinodebüt ein grandioses Opus der Erzählkunst.
Die traumhaften Darsteller erwecken die Figuren durch ihr natürliches Spiel nicht nur zum Leben, sondern verkörpern sie entgegen subtiler Absurditäten auch in jeder Hinsicht glaubwürdig. Als metaphorischer Stellvertreter für Bernies schwankenden Emotionszustand fungiert der Fluss der Milchkanne an der Bar des Shangri-La. Ebenso wie dieser langsam versiegt oder rapide ansteigt, nimmt auch der Betrachter Anteil am unbeständigen Seelenzustand der perfekt nuancierten Protagonisten. Doch bildet dieses Element nur eines von vielen Stilmitteln, welche „The Cooler“ zu einem der interessantesten und besten Independent-Filme der letzten Jahre machen.
Wertung: (8 / 10)