The Cell (USA 2000)

„Do you believe there is a part of yourself, deep inside your mind, with things you don’t want other people to see?” – Catherine

Stil geht in Hollywood häufig über Substanz. Nur gibt es Filmschaffende, die diesen Malus durch visuell berauschende Bilderfluten auszuhebeln vermögen. Zu diesem Kreis zählt der vormalige Videoclip-Regisseur Tarsem Singh („The Fall“), dessen Kinodebüt „The Cell“ berauschende Optik mit handelsüblichem Thrill kombiniert. Der abgründige Psycho-Trip wird gern als zu Unrecht gescholtener Geheimtipp gehandelt, mehr noch als verkanntes Meisterwerk. Dem kann man u. a. die Ansicht von Drehbuchautor Mark Protosevich („I Am Legend“) entgegenhalten, der sich ob der massiven Änderungen seiner Vision zugunsten konventioneller Elemente nachträglich vom fertigen Film distanzierte. 

Vor dem Für und Wider der vorliegenden Meinungsäußerung erfolgt ein Abriss der Handlung: Serienmörder Carl Stargher (Vincent D’Onofrio, „Full Metal Jacket“) verschleppt junge Frauen und ertränkt sie in einem Glasgefängnis. Die in Bleiche gebadeten Leichen legt er an abgeschiedenen Orten ab. Als ihm FBI-Agent Peter Novak (Vince Vaughn, „Tödliches Vertrauen“) auf die Schliche kommt, fällt Stargher durch eine neurologische Vorerkrankung ins Koma. Um den Aufenthaltsort seines jüngst entführten, bei steigendem Wasserstand ohne Hilfe ebenfalls dem Tode geweihten Opfers zu ergründen, begibt sich Psychologin Catherine Deane (Jennifer Lopez, „Out of Sight“) mit Hilfe neuartiger Technik in Starghers Unterbewusstsein. Doch die Psyche des Killers droht sie zu verzehren.

Kommen wir zunächst zum Positiven: Die alptraumhafte, gern an Gemäldekunst angelehnte Gestaltung der (CGI-)Sets, die opulenten Kostüme der für „Bram Stokers Dracula“ (1992) Oscar-prämierten Eiko Ishioka und die verstörend intensive Performance D’Onofrios rechtfertigen eine gewisse Begeisterung durchaus. Wenn sich Stargher, dessen hintere Körperseite von Metallringen gespickt ist, mit Eisenketten parallel über ein nackt aufgebahrtes Opfer hängt und masturbiert (übrigens die einzige maßgebliche Verlängerung im Director’s Cut), ist das abnorme Wesen des Mörders hinreichend sublimiert. Hinzu kommen symbolträchtige Szenen mit Pferd, vorrangig die saubere Zerteilung eines selbigen durch herabsausende Glaspanele; selbst wenn die zugehörigen Computerbilder dezent angestaubt wirken.  

Die Schattenseiten von „The Cell“ zeigen sich, wenn der Blick ins Abseits des visuellen Spektakels wandert. Eine davon überdeckt die Hauptfiguren: Weder Catherine noch Peter verfügen über die notwendige charakterliche Tiefe. Dass die Zuschauenden mit ihnen fiebern, liegt allein an ihrer rechtschaffenden Position. Catherines Hingabe als Psychologin – und Testperson der neuen Technik – wird über die Quasi-Rahmenerzählung der Therapie eines komatösen Jungen aufgezeigt. In Starghers krankem Kopf stößt sie nicht allein auf Begründungen für sein menschenverachtendes Walten (das böse Elternhaus!), sondern gerät auch unter seine Kontrolle. Auf das Wie und Warum kommt es dabei nicht an. Hauptsache der knurrige Peter kann ihr ohne jede Erfahrung im Körper-Hopping beistehen, während seine Eingeweide auf einem mittelalterlichen Folterinstrument aufgewickelt werden.

Dass Catherines Versuche, dem Killer den Standort seines Mörder-Verstecks abzuringen, letztlich fruchtlos bleiben, führt die Prämisse ad absurdum. Denn der Peter eilig gereichte entscheidende Hinweis sprang allen Beteiligten auf Ermittlerseite (darunter auch Dean Norris, „Breaking Bad“) schon zu Anfang deutlich ins Auge. Und dass Catherine den Spieß schlussendlich umdreht und Stargher in ihren Geist transferiert, lässt abseits konventioneller Auge-um-Auge-Konfliktbereinigung nur umso mehr vermissen, dass die Konfrontation mit ihren eigenen Dämonen keinerlei Rolle spielt. Aber bleiben wir fair. Auf dem Rücken von „Dreamscape“ (1984) serviert Singh genug unbequeme Bilder, um das Außergewöhnliche im Gewöhnlichen auszuloten. Sehenswert wird „The Cell“ dadurch durchaus. Meisterlich hingegen kaum.

Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

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