Die Freude war groß, als die TERRORGRUPPE Mitte 2014 ihre Wiederauferstehung proklamierte. Denn wenn schon Terror (gegen den guten Geschmack), dann bitte so! Und in Zeiten, in denen geistige Brandstifter wie Pegida und AfD fatalistische Botschaften gegen Migranten und fremde Kulturen aus braunen Hälsen krähen dürfen, muss über die Notwendigkeit der Reunion dieses spitzzüngigen musikalischen Korrektivs wohl keineswegs diskutiert werden. Mit der Comeback-EP „Inzest im Familiengrab“ stellte sich jedoch Ernüchterung ein. Alles nicht schlecht, aber auch kein wirklicher Hockerriss. Mit „Tiergarten“ steht nun der erste reguläre Langspieler seit „Fundamental“ (2003) in den Startlöchern und schickt sich an, die Geister neuerlich zu scheiden.
Denn klassisch nach vorn getragener Punk-Rock genügt den Berlinern nicht mehr. Das Tempo ist – wie schon bei der Vorgänger-EP – stark reduziert, die Einflussbreite im Gegenzug merklich erhöht. Spürbar wird das bereits angesichts der schier allgegenwärtigen 70’s-Orgel, die wie die Melodien insgesamt locker, entspannt und verspielt rockig wirkt. Daran muss man sich zunächst gewöhnen, wenn die Einstimmung durch den gelungenen Auftakt „Blutbürger“ auch angenehm leicht fällt. Trotzdem kristallisieren sich sattelfeste Hits – solche wie „Wie es der Staat mag“, „Der Maximilian“, „Winnetou“, „Küsse töten“ oder das finale „Dumm aber lieb“ – erst nach mehrmaligem Hördurchlauf heraus. Die in den 14 Songs verhandelten Themen allerdings sind typisch für die TERRORGRUPPE: Rassismus, das Leben im Hamsterrad, Amerika, Kapitalismus, Gentrifizierung.
Textlich gibt es wenig zu mäkeln, wenn der Unterschied zwischen Gutmensch und Schlechtmensch erörtert wird (ob sich „Flachbildschirm“ wohl als Beleidigung durchsetzt?), Ost-Apache Winnetou Perlenschnüre als neue Währung einführt oder Schwule durch ihre bloße Präsenz Staatsgefüge gefährden. Ein wenig hinderlich erscheinen einzig die sporadisch eingeworfenen gesprochenen Passagen („Tiergarten“, „Leider keine Zeit“). Den hergebrachten Ausbruch aus dem munter variierten Stilmix wagen die Berliner lediglich beim stimmig banalen „Schmetterling“, bei dem Sänger Archi nur im Hintergrund agiert und Skinhead Black (Tarek von K.I.Z.) den Vorzug lässt. Aller Ungewohnheit (und weniger einnehmenden Nummern wie „Dauerabo“ oder „Immer besser“) zum Trotze ist „Tiergarten“ die gelungene Neuerfindung einer stets unterhaltsamen Band. Da hat nicht nur der Photobomb-Affe auf dem Cover gut grinsen. Gut zu wissen, dass die TERRORGRUPPE uns „Fotzen“ immer noch alle lieb hat!
Wertung: (7,5 / 10)