Terrorgruppe – Jenseits von Gut und Böse (2020, Destiny Records/Aggropop)

Irgendwann ist man einfach zu alt für diesen (oder jenen) Scheiß. Manche können sich das eingestehen. Andere nicht. Da die TERRORGRUPPE aber schon immer zu den Guten der (Musik-)Welt zählte, schien irgendwie klar, dass sie ihr Willkommen nicht bis zur letzten Konsequenz ausreizen würden. Als Punker jenseits der 50 muss zwangsläufig die Erkenntnis reifen, dass es sich schwer gestaltet, die Bühnen der schummrigen Clubs mit Rollator zu entern. Ganz zu schweigen davon, dass die vorgelebte Anarcho-Attitüde im gesetzten Alter nur bedingt an Glaubwürdigkeit gewinnt.

Und so ist „Jenseits von Gut und Böse“ – oder alternativ: „Das lila Album“ – das finale Studiowerk der Berliner Deutsch-Punk-Institution. Dass darauf wieder vermehrt Vollgas gegeben würde, machten die Vorab-Auskopplungen ohne Umschweife deutlich – wenn „Sie nationalsozialistische Bullensau“ zur Vermeidung die Veröffentlichung blockierender Rechtsstreitigkeiten auch kurzfristig aus dem Programm flog. Damit bleibt „Tiergarten“ mit seinem Orgel-geprägten Rock-Sound ungeachtet der erstmaligen Album-Chartplatzierung eine quasi-experimentelle Ausnahme. Um vielseitige Einflüsse war die TERRORGRUPPE jedoch noch nie verlegen. Daher bedeuten lässige, vom Rock’n’Roll geküsste Melodien auch diesmal mehr Regel denn Ausnahme.

Nur ist der darüber gestreute Härtegrad gegenüber dem Vorgänger merklich erhöht. Als Referenzbeispiele mögen „Sinnlose Beleidigungsstrategien gegen Fabelwesen (Egal ob euch das passt)“ und „Lastwagenfahrer“ fungieren, an dem sich auch gleich wieder der Schalk ermessen lässt, der den Hauptstädtern beim Schreibprozess im Nacken saß. Und da komplexe Texte noch nie das Steckenpferd der Punk-Sympathen waren, feiern die zwischen augenzwinkernder Kritik (u. a. „Ein Führer wird kommen“, „Alt + Delete“, „Nestle (oder weiß hier jemand, wie man dieses Scheiß-Häkchen übers „E“ macht?)“, „Krieg ist super“) und Absurdität aus der Mitte des Lebens („ADHS“, „Der Trottel (Oi, Oi, Oi)“, „Fettes betrunkenes dummes Schwein“) kreisenden 14 Tracks die Klarheit der einfachen Worte. Nicht nur deshalb wird die TERRORGRUPPE noch schmerzlich vermisst werden. Wenn die Jungs denn eines Tages wirklich zu alt für diesen Scheiß werden.

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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