Woodstock ist Legende und als Gipfelsturm der Hippie-Bewegung Mythos zugleich. Rund eine Millionen Menschen feierten im August 1969 auf einem Farmgelände in Bethel, New York, ein rauschendes Fest und trugen mit Hilfe bekannter Musiker dazu bei, die Message von Frieden und Freiheit in die Welt zu tragen. Der Grundgedanke allerdings war eigentlich kommerzieller Natur: Der aufstrebende Musikproduzent Michael Lang wollte mit den Einnahmen des Festivals sein (in Woodstock gelegenes) Aufnahmestudio finanzieren.
Als die Einwohner von Wallkill, wo das Festival ursprünglich stattfinden sollte, aber gegen die Ausrichtung protestierten, zog es Lang nach Bethel. Dort lebte zu dieser Zeit der Innenarchitekt Elliot Teichberg, dessen Eltern in der Kleinstadt erfolglos ein Motel betrieben. Um Besucher in die Region zu locken, veranstaltete er Musikabende und besaß somit die Lizenz, um künstlerische Festivals auszurichten. Er bot Lang das elterliche Grundstück als Austragungsort an. Doch erst die Zustimmung des Farmers Max Yasgur, sein Land als Austragungsort zur Verfügung zu stellen, brachte den Stein ins Rollen.
Die turbulente Entwicklung des wohl geschichtsträchtigsten Musikereignisses aller Zeiten hat Meisterregisseur Ang Lee („Brokeback Mountain“) in einen ebenso amüsanten wie detailreich ausgestatteten Spielfilm verwandelt. Nach dem Tatsachenroman von Elliot Tiber (eigentlich Teichberg), wunderbar gespielt von Demetri Martin („Reine Nervensache 2“), erzählt Lee die (Vor-)Geschichte von Woodstock und füllt die Geschichtsstunde durch eine lebendige, visuell an die bekannte Dokumentation Michael Wadleighs angelehnte Inszenierung und sehenswerte Schauspielerleistungen mit Authentizität.
Mit Emile Hirsch („Into the Wild“), Dan Fogler („Fanboys“) und Liev Schreiber („Der Manchurian Kanidat“) vortrefflich besetzt – vor allem Schreiber spielt sich als Ex-Marine und Transvestit Wilma in den Vordergrund –, wird der durch Regenfälle und Elliots im Drogenrausch verkündete kostenlose Öffnung des Festivals ins Chaos gestürzte Ablauf temporeich komprimiert. Trotzdem findet Lee ausreichend Zeit, sich Elliots Problemen mit den Eltern (klasse: Henry Goodman und Imelda Staunton) und der Stagnation seines Lebens zu widmen. Das musikalische Großereignis befreit also nicht nur die Massen, sondern auch ihn als einzelnen.
„Taking Woodstock“ ist ein feinfühliges und immens unterhaltsames Werk, das zwischen farbenfroher Historie und Charakterstudie auf imposante Weise das Gefühlsleben einer Generation im Umbruch (und den Widerstand der furchtsamen Elterngeneration) beschreibt. Der mit 35 Millionen Dollar Budget überraschend günstig produzierte Ensemble-Film steht dem Independent deutlich näher als die in Hollywood so schwer in Mode gekommenen Biopics – und legt den Fokus ohnehin mehr auf eine ganzheitliche Impression als die Wahrnehmung und das Schicksal eines einzelnen Vordenkers.
Wertung: (8 / 10)