Sympathy for Mr. Vengeance (ROK 2002)

sympathy-for-mr-vengeanceMit „Joint Security Area“ machte Regisseur Chan-wook Park zum ersten Mal von sich reden. Bereits vier Jahre später stand der filigrane Koreaner vollends im Rampenlicht und wurde für sein intensives Thriller-Drama „Oldboy“ verdientermaßen mit dem Spezialpreis der Jury von Cannes geehrt. Im Fahrwasser dieses sensationellen Erfolges gelangt nun endlich auch Parks dritter Spielfilm „Sympathy for Mr. Vengeance“ nach Deutschland. Ein Werk, welches ohne den viel beachteten Nachfolger wohl kaum das Interesse eines Publikums jenseits eingefleischter Freunde asiatischen Filmschaffens erschließen könnte.

Der taubstumme Ryu (Ha-kyun Shin, „Joint Security Area“) schuftet Tag für Tag in einer Fabrik, um seiner schwerkranken Schwester (Ji-Eun Lim, „Family“) die dringend benötigte Nierentransplantation zu ermöglichen. Er selbst verfügt über die falsche Blutgruppe und kann somit nicht als Spender fungieren. Weil den Geschwistern allmählich die Zeit davonrennt, sucht Ryu Hilfe bei zwielichtigen Organhändlern. Eine seiner Nieren und ein horrendes Entgeld im Tausch gegen ein passendes Organ für seine Schwester. Ryu willigt ein und wird Opfer der skrupellosen Verbrecher. Als er aus der Narkose erwacht, fehlt sowohl seine Niere als auch sein Geld.

Als kurz darauf ein Spenderorgan auf legalem Wege zur Verfügung steht, fehlt Ryu das Geld für den ärztlichen Eingriff. Zusammen mit seiner anarchistischen Freundin (Du-na Bae, „Ring Virus“) beschließt er, die Tochter des Geschäftsmannes Dong-jin Park (Kang-ho Song, „Memories of Murder“) zu entführen, um den benötigten Betrag von ihm zu erpressen. Doch die Aktion geht schief und das Kind kommt auf tragische Weise ums Leben. Außer sich vor Zorn startet Dong-jin Park einen gnadenlosen Vergeltungszug, der alle Beteiligten ins Verderben reißt.

Was im ersten Atemzug klingen mag wie ein reißerischer Selbstjustizstreifen der B-Kategorie, entpuppt sich schnell als distanziert betrachtetes Melodram. Im Mittelpunkt steht weder der verzweifelte Akt der Kindesentführung, noch der daraus resultierende unbarmherzige Rachetrieb. Die Kunstfertigkeit des Filmemachers Chan-wook Park erlaubt die parallele Betrachtung der Protagonisten, ohne sich klischeehafter Gut-Böse-Schemata zu bemächtigen. Dabei ist „Sympathy for Mr. Vengeance” vor allem eines: eine kluge Allegorie auf soziales Ungleichgewicht.

Wie viel Tragik verträgt ein einzelner Film? Gemessen an der hartnäckigen Kontinuität persönlicher Niederlagen, Rückschläge und emotionaler Tiefpunkte könnte man Parks meisterlicher Studie fast eine realitätsferne, weil gewollt pessimistische Dramatisierung unterstellen. Doch bleibt die Geschichte immer glaubwürdig, die meist auf Zufällen fußenden Tragödien nicht zuletzt aufgrund ihrer schieren Sinnlosigkeit nachfühlbar. Die Motive der eindringlich gespielten Figuren sind, wenn in ihrer Konsequenz auch nicht immer teilbar, so doch zumindest stets nachvollziehbar.

Verzweiflung und rasender Zorn manifestieren sich bereits in kleinen Gesten, Blicken und verhaltenen Mienenspielen. Dem Titel entsprechend fühlt der Zuschauer Sympathie, besser Verständnis für die Handlungen der gebrochenen Charaktere. Wenn Ryu seiner unbändigen Wut über die erlittene Qual mit einem Knüppel auf den Leibern der Organhändler Ausdruck verleiht, wenn Dong-jin Park die Komplizin des Entführers mit erschreckender Kaltblütigkeit zu Tode foltert, sind Mitgefühl und Abscheu auf schmalem Grat vereint. Aus diesem Kontrast gewinnt der Film eine aufwühlende Intensität, die ihre Wirkung weit über die Entladung vereinzelter Gewaltexplosionen entfaltet.

Die bittere Pointe am Ende schließt letztlich den Kreis des Verderbens und legt das Leichentuch auch über den letzten Beteiligten. Aus Sympathie wird Anteilnahme, aus Verständnis Betroffenheit. Wer dachte, „Oldboy“ sei die Speerspitze filmischer Trostlosigkeit sieht sich getäuscht, „Sympathy for Mr. Vengeance“ wird in Sachen nihilistischer Ausweglosigkeit auch in Jahren noch seinesgleichen suchen!

Wertung: 8.5 out of 10 stars (8,5 / 10)

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