Spirited Away – Chihiros Reise ins Zauberland (J 2001)

spirited-away-chihiros-reise-ins-zauberlandAls Regisseur Hayao Miyazaki bei der diesjährigen Oscar-Verleihung die Trophäe in der Kategorie des besten Animationsfilmes in Empfang nehmen konnte, bedeutete dies für die japanische Zeichentrickikone das Ende einer langen Reise zu endgültiger künstlerischer Anerkennung durch das Kino des Westens. Doch bildet die Auszeichnung lediglich die Spitze jenes Eisberges, der unter dem Titel „Chihiros Reise ins Zauberland“ als erste abendfüllende Kinoanimation überhaupt den Goldenen Bären bei den Berliner Filmfestspielen für sich beanspruchen konnte. Ganz nebenbei wurde auch der vier Jahre zuvor Einspielrekord von Miyazakis „Prinzessin Mononoke“ in der japanischen Heimat im Handstreich überflügelt. So erfährt der asiatische Trickfilm-Magier nun endlich auch in unseren Breiten die längst verdiente Anerkennung.

Trauer umgibt die zehnjährige Chihiro, muss sie doch aufgrund der familiären Umsiedelung im Zuge eines Jobwechsels des Vaters ihrer liebgewonnenen Heimatstadt und ihren Freunden den Rücken kehren. Allerdings verläuft die Reise anders als geplant, entpuppt sich der Ort eines eingeräumten Zwischenstopps, genauer ein verlassener Vergnügungspark, doch als geisterhafte Parallelwelt. Diese, bevölkert von seltsamen Fabelwesen und anderen geheimnisvollen Kreaturen, wird beherrscht von der durchtriebenen Hexe Yubaba, die Chihiros Eltern nach der Vertilgung ihr zugedachter Opfergaben kurzerhand in Schweine verwandelt.

Mit tatkräftiger Unterstützung des undurchsichtigen Jungen Haku bekommt Chihiro eine Anstellung in Yubabas Badehaus, einem Kurort für spirituelle Wesen. Ohne klare Vorstellungen der elterlichen Errettung fügt sich Chihiro in ihr Schicksal. Dabei schließt das tapfere Mädchen nicht nur Freundschaft mit dem verschwiegenen Geist Ohngesicht, sondern muss neben der Torturen Yubabas auch unzählige Abenteuer bestehen, in denen die nicht minder undurchschaubare Zwillingsschwester der herrschsüchtigen Magierin eine entscheidende Rolle einnimmt.

„Spirited Away“, so der internationale englische Titel, verbindet auf wunderbar farbenfrohe und phantasievolle Weise Mythos und Märchen, Fabel und Fantasy.  Mit subtilem Humor und skurrilen Figuren garniert, bildet Hayao Miyazakis liebevoll animiertes Kunstwerk einen warmherzigen Reigen aus Farbenvielfalt und inhaltlicher Komplexität. Anbei präsentiert sich das geschickt verwobene Handlungsgefüge als unvorhersehbar. Miyazaki gewinnt einen gehörigen Teil der aufgebauten Atmosphäre aus der steten Ungewissheit des Publikums. Jenes taucht Über die Dauer von  mehr als zwei Stunden in eine kunterbunte Welt voller Überraschungen und Geheimnisse ein, die ihren unermesslichen Reiz nicht zuletzt durch die vage Befremdlichkeit des aufgezeigten Geisterreiches vollends auszuschöpfen versteht.

Denn „Chihiros Reise ins Zauberland“ erscheint wie ein pulsierender, mit Leben ausgefüllter Traum, fremdartig und faszinierend zugleich. Die Figuren wirken bisweilen suspekt, in ihrem äußeren Erscheinungsbild ungewohnt und fremdartig, doch resultiert gerade aus diesem formalen Novum ein nicht unerheblicher künstlerischer Vorteil der asiatischen gegenüber der westlichen Trickfilmkunst. In diesem Zusammenhang erscheint die deutsche Freigabe ohne Altersbeschränkung etwas verwunderlich, dürften ganz kleine Zuschauer hinsichtlich Thematik und Umsetzung doch eher überfordert werden. Darüber hinaus ergeben sich gefühlvolle Augenblicke mehr aus distanzierten Totalen, was die wohltuend nüchterne Bildsprache im japanischen Film einmal mehr vor die Emotionalität der Charaktere stellt.

„Chihiros Reise ins Zauberland“ ist ein Trickfilm mit Anspruch, ein wahrer Augenschmaus für große und kleine Zuschauer. Zwar erscheint die dezente Einführung in die spirituelle Welt Japans für westliche Gemüter etwas gewöhnungsbedürftig, doch offenbart dieses immer bodenständige und feinfühlig Aufbereitete Meisterwerk trotz den Rahmen der Gewohnheit sprengender Ausmaße eine selten erlebte Symbiose aus kunstvoller Animationskunst und atmosphärisch dichter Geschichte.

Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

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