Shellycoat – Hide the Knives (2020, Fond of Life Records)

Bloß nicht hetzen. In unserer schnelllebigen Zeit erscheint es fast als Ausnahmetugend, auch mal die umgangssprachlichen Fünfe gerade sein zu lassen. Im kommerzorientierten Musiksegment mutet das wie pure Utopie an. Schließlich geht es darum, partout nicht an Popularität zu verlieren und das Publikum in möglichst regelmäßiger Folge frisch zu beschallen. Der Gegenentwurf findet sich im unabhängigen Sektor, wo sich Bands wie SAMIAM auch nach gefühlten Äonen ohne neue Platte ihrer treuen Anhängerschaft gewiss sein können.

Auch SHELLYCOAT, ausgewiesene Befürworter der oben genannten Indie-Punk-Legende, waren bei der Arbeit an ihrem dritten Langspieler keineswegs von Eile getrieben. Der Vorgänger „Neonsomnia“ datiert auf das Jahr 2015 – womit die gerade zu lassenden Fünfe ihre buchstäbliche Bestätigung erhalten. Nun forciert die daran geknüpfte Zeitspanne die Erwartung an eine irgendwie geartete Entwicklung. Natürlich hätten die Hamburger um Frontfrau Karen den für sie (und auch die Zielgruppe) trendgemäß leichtesten Weg beschreiten und eine Hommage an den klassischen Melo-Core einspielen können. Am Rande ist das durchaus gegeben, doch steht auf „Hide the Knives“ das Spiel mit vielseitigen rockigen Einflüssen im Zentrum.

Dessen schnörkellose Variante offeriert der knapp gehaltene Startschuss „Antidote“, der, wie auch „Fake Friends“ oder das bockstarke „Morphine“, vorrangig energetischen Punk bedient. Die melodischere, bisweilen gen Indie-Rock tendierende Spielart decken neben dem zünftigen Ohrwurm „Reverberation“ das softe „Scream to Sleep“ oder „It’s Your Job, For God’s Sake“ ab. Für stimmungsvolles Kontrastprogramm sorgen dazu die lässig poppigen „Harbour Scene“ und „Sirens“, bei denen Karen eindrucksvoll beweist, dass sie neben den kraftvollen auch die gediegeneren Töne beherrscht.

Mit dem groovigen „Get Well Soon“, dem mit Gangshouts in TSUNAMI BOMB-Manier versehenen „Terrible Place“ oder dem entgegen des Titels nicht auf Deutsch gesungenen „Ich geh‘ da nicht mehr hin“ kratzen die Norddeutschen überdies willkommen am Alternative. So gewähren SHELLYCOAT einen überraschend weitschweifigen wie stets packenden Blick über den Tellerrand des klassischen Punk-Rocks – wohlgemerkt ohne diesen je auszusparen. Bloß gut, dass die Band während der vergangenen Jahre nicht in Eile verfallen ist.

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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